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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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Nase floss. Er ist tot, dachte ich voller Panik, er ist tot, und gleich muss ich auch sterben. Schließlich gelang es mir, über irgendwelche Gegenstände unter Wasser an die Brunnenwand zu waten. Ich drückte Giovanni an die Steine und lehnte mich an ihn, sodass er gehalten wurde. So verging eine endlose Zeit, immer wieder rutschte ich ab, schluckte eiskaltes, modrig schmeckendes Wasser, bis ich von oben Stimmen hörte und im Wechsel von Licht und Schatten sah, dass Peter und Vivi tatsächlich eine Leiter brachten. Alle Leitern hier unten waren mit Seilen befestigt, aber es war ihnen gelungen, die Knoten zu lösen. Jetzt kippten sie die Leiter mit vereinten Kräften über den Rand und ließen sie an der Wand herunter. Die Leiter holperte und vibrierte und klatschte endlich neben mir ins Wasser. Ich streckte den Arm aus, bekam sie zu fassen, indem ich Giovanni kurz losließ, und stellte die Leiter so, dass sie fest stand. Doch ihre Länge reichte nicht so weit, dass ich oben bis zum Rand hätte klettern können. Ich hielt mich verzweifelt an den Sprossen fest.
    »Ich komme nicht hoch!«, schrie ich.
    »Warte!«, rief Peter.

    Er schwang sich vorsichtig über den Zisternenrand, ließ sich herunter, indem er die Beine so weit ausstreckte, dass er die Füße auf die erste Sprosse stellen konnte. Schlimm war, dass wir nicht wussten, ob die Leiter nicht abrutschen würde. Sie stand zu tief, als dass Vivi sie von oben hätte halten können. Peter bewegte sich sehr vorsichtig, drehte sich behutsam herum, kletterte mir langsam entgegen, bis er mit beiden Beinen dicht neben mir im Wasser stand und mir Zeichen gab, Giovanni auf seinen Rücken zu laden. Ich hob Giovanni hoch, er schien mir schwer wie ein Eisblock, doch Peter kam noch eine Sprosse tiefer, sodass es mir endlich gelang, den Verunglückten an ihn zu drücken. Ich stützte Peter von unten, während er Giovanni an den Armen nach vorn zog, bis er mit halbem Oberkörper über Peters Schulter zu hängen kam. Peter war nicht besonders kräftig; ich frage mich noch heute, wie er es schaffte, mit seiner Last emporzuklettern, während ich, dicht hinter ihm, Giovannis Beine hielt, um ihn zu entlasten. Die alten Sprossen zitterten und knarrten bedenklich. Die Last von zwei Erwachsenen hätten sie wahrscheinlich nicht ausgehalten. Dann und wann schlug Giovanni mit dem Gesicht an die Steine, obwohl Peter sich Mühe gab, ihn vor Verletzungen zu bewahren. Langsam, Sprosse um Sprosse, Schritt für Schritt, kletterten wir empor, bis es Vivi gelang, den Verunglückten unter den Armen zu packen und mit Peters Hilfe über den Rand zu zerren. Ich aber hatte keine Kraft mehr, meine Arme und Beine waren wie gelähmt. Zuletzt war es Peter, der mir über die letzten Sprossen half. Meine Bewegungen waren steif und unbeholfen, dann und wann schlug ich mit den Schienbeinen hart gegen Kanten, spürte aber nicht den geringsten Schmerz. Endlich stand ich auf der ersten Sprosse, aber da konnte ich plötzlich nicht weiter, stand einfach da und klapperte mit den Zähnen.
    »Komm!«, rief Vivi, »komm doch!« Aber ich wusste nicht, was sie denn eigentlich von mir wollten, und konnte mich sowieso
nicht rühren. Schließlich griffen beide nach mir, zerrten mich hoch, bis ich mit dem Bauch auf dem Brunnenrand lag und dann klatschend auf die andere Seite fiel, dicht neben Giovanni, der wie eine bleiche Wachspuppe am Boden lag. Es ging ein paar Augenblicke, bis ich wieder zu Verstand kam und mich aufsetzen konnte. Ich bewegte den Arm und rüttelte an Giovanni, als ob ich ihn wecken wollte, aber diese einfache Berührung löste Kälteschauer und Schmerzen in mir aus. Ich sah hilflos zu Peter empor, der immerhin Sohn eines Arztes war.
    »Ist er … ist er tot?«, stammelte ich.
    Peter, dem die Anstrengung noch im Gesicht stand, beugte sich über Giovanni, legte ihm die Hand auf das Herz.
    »Nein … Er lebt.«
    Ich rappelte mich auf den Knien hoch. Meine Knochen begannen zu schmerzen; ich sah die vielen Blutergüsse und Abschürfungen an Armen, Beinen und Knien. Peter und ich waren völlig durchfroren, klapperten mit den Zähnen. Oh Himmel, ging es mir durch den Kopf, jetzt holen wir uns beide eine Lungenentzündung. Und was sollen wir den Eltern sagen?
    Plötzlich öffnete Giovanni die Lider, seine Augen schwammen verwirrt, er tastete mit den Händen hierhin und dorthin, versuchte sich aufzurichten. Ein heftiger Ruck ging durch seinen Körper, er drückte Wasser und blutige Spucke aus seinem Mund heraus.

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