Mondtaenzerin
aufgeklärten Johanniter hatten wenig Freude an Leuten, die nie ein Stück Seife benutzten.
Sie hatten im Orient feinere Sitten gelernt. Immerhin wollten sie es sich nicht mit Spanien verderben. Im übertragenen Sinne kamen sie dabei in die inquisitorische Zwickmühle: Nur Gebete waren erlaubt, doch niemals Kritik. Zwar trat der Malteser Falke noch immer seine alljährliche Reise nach Kastilien an, aber die Johanniter bangten allmählich um die eigene Haut. Die leutselige Frage: »Mein Sohn, habt Ihr gesündigt?«, mochte schlimme Folgen haben. Die Inquisition war eine Macht innerhalb der Macht, die man zu überwachen und der man schwer zu misstrauen hatte. Tatsächlich pflegten die Johanniter, nunmehr der reichste Orden der Welt, einen Lebensstil, der mit dem alten Stoizismus wenig zu tun hatte. Sie führten »Korso« gegen nordafrikanische Handelsschiffe, wobei sich diese Art von Seeräuberei zu einem äußerst lukrativen Gewerbe entwickelte. Die hervorragend bewaffneten, meistens siegreichen Korsaren brachten jede Menge Seide, Gold, Edelsteine und Sklaven nach Malta. Im Jahrhundert der »Libertinage« sahen sich die Johanniter nicht mehr als Tugendbolde. Einst nahmen sie sich nicht einmal das Recht, sich zu betrinken, nun waren sie müde, verweichlicht und viel zu reich. Es gab keinen Sultan mehr, der sie in Berserker hätte verwandeln können. Sie waren nur noch Profitmacher. Aber nach wie vor wollten sie den Ton angeben, und als 1789 die Französische Revolution losbrach, stellte der Großmeister Emmanuel de Rohan dem bedrohten König Ludwig XVI. eine Summe zur Verfügung, die die Malteser Staatskasse in Geldnot brachte. Als dann Napoleon Bonaparte 1798 auf seinem Feldzug nach Ägypten vor dem Grand Harbour stand, hatte er leichtes Spiel: Die Johanniter kämpften nicht gegen Christen. Sie rebellierten erst, als der französische Revolutionsrat alle Großgrundbesitzer enteignete. Worauf Napoleon, der sich mit Vorliebe als Moralist aufspielte, sie kurzerhand zu Staatsfeinden erklärte. Eine Schlacht gegen Napoleon war aussichtslos. Der deutsche Großmeister Ferdinand von Hompesch dachte praktisch: Er
kapitulierte, womit er einige sehr gute Freunde gewann und sich gleichzeitig viele Feinde machte. Die Malteser, dieses zähe Gemisch aus Sizilianern, Normannen, Türken, punischen Seefahrern und Eingeborenen, von denen man weder wusste, wer sie waren, noch, woher sie kamen, diese eigenwillige Bevölkerung mit ihrer Sprache voller Zischlaute und rauen Konsonanten, verstand kaum etwas von der hohen Politik, genug jedoch, um verärgert zu sein. Sie sah sich nicht gerne gedemütigt. Die Köpfe der Türken hatten ihnen früher als Kanonenkugeln gedient. Die Malteser hätten die Übung gerne mit den Franzosen wiederholt, doch war das Vorgehen nicht mehr zeitgemäß. Immerhin folgte ein Aufstand, der ohne große Verluste mit Hilfe der Engländer zerschlagen wurde.
Nun aber geriet der Orden vom Regen in die Traufe: 1800 besetzten die Engländer Malta, während die aufgebrachte Bevölkerung ein Mitspracherecht verlangte. 1801 war es dann so weit: Der Orden wurde aufgelöst. Nicht nur sein legendärer Mut, sondern auch sein wirtschaftliches Rückgrat war gebrochen. 1814 wurde der Archipel endgültig als britische Kolonie anerkannt. Malta bekam eine eigene Verfassung, eine gewisse Pressefreiheit und Mitbestimmung in politischen Entscheidungen. 1834 wurde das, was vom katholischen Orden übrig blieb, nach Rom verlegt. Aus dem protestantischen ging die St. John Ambulance Association hervor, die eine Kette von Spitälern in den Kolonien und Ländern des Commonwealth gründete. Mit der Eröffnung des Suezkanals 1869 wurde Malta für die Briten ein wichtiger Stützpunkt, sodass der Archipel weder im Ersten noch im Zweiten Weltkrieg ungeschoren davonkam. Die Zerstörungen waren gewaltig, und auch die Bevölkerung erlitt schwere Verluste. Heute sind die Ableger der einstigen Johanniter eigenständige Organisationen, wobei die englische »Zunge« in allen Ländern des Commonwealth dominiert. Doch das silberrote Emblem des Normannenfürsten Roger I., der 1099 den Archipel in Besitz nahm, ist nach wie
vor Staatsflagge. Und nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das von König Georg V. verliehene Georgskreuz für außerordentliche Tapferkeit in die Flagge einbezogen. Das achtzackige Johanniterkreuz aus der Gründungszeit des Ordens ist nur noch als Symbol im Gebrauch und wird in den Logos zahlreicher internationaler Institutionen
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