Monica Cantieni
plötzlich sentimental werden, sagen Ruth und Walter. Wohnst du jetzt bei Dejans Käse und Bier?
Weil er darauf nichts sagte, machte ich ihm Mut und sagte, dass es hätte schlimmer kommen können, nämlich ein Keller voller Gemüse, voller Fenchel oder Sellerie oder noch mehr ekligem Gemüse, und dass er es mit einem Keller voller Käse und Bier doch gut getroffen hätte. Außerdem würde er einmal im Monat die Gesellschaft eines Ferkels haben, das wusste ich aus erster Hand. Dejan bestand auf Frischware, die noch selber herumrennen konnte, bevor er Spanferkel machte und Wurst.
Er war aufgestanden und öffnete Schneewittchens Käfigtür, schraubte das Türschild an der Innenseite fest. Schneewittchen hoppelte im Käfig herum.
– Sag deinem Vater, dass meine Post ab jetzt hierher geht.
– Gibt es in Spanien auch Polizei?
– Natürlich.
– Wie bei uns?
– Schlimmer. Viel schlimmer, ganz so schlimm ist sie aber heute nicht mehr.
– War sie denn dort auch hinter dir her?
– Hinter meiner Familie war sie her.
– Was passierte, wenn sie jemanden zu fassen kriegte?
Als hätte der Arzt ihm grade eine dicke Spritze verpasst, verzog er sein Gesicht. Er schien etwas zu kauen.
– Warum bist du hierhergekommen?
– Ich hab gehört, hier ist es besser, einfacher. Es war zu Hause nicht so einfach. Mit allem nicht.
Auf jedem seiner Fingernägel ein weißer Mond, er spreizte die Finger.
Im Eimer waren eine Kelle, Schraubenzieher und ein Brett mit Griff, Schwämme, das Brett, das er Reibebrett nannte, der Gummibecher, in dem er eine Paste anrührte, um bei uns Löcher zu stopfen, und ein dickes Lineal, in dem eine knallgelbe Blase hin und her schaukelte.
– Ist das alles, was du hast?
– Es reicht, um Häuser zu bauen.
Ich warf eine Handvoll Steine an den Zaun. Oskar knurrte.
– Hör auf, ihn zu ärgern.
– Was wollte die Polizei von deiner Familie?
– Kann man das wissen?
– Du weißt es nicht?
– Meine Schwester. Sie wollten meine Schwester. Einer hat sie sich einfach geholt.
– Warum?
– Ihm gefiel ihre Seele. Sagte er. Seele, dass ich nicht lach e – cabrón!
– Die kann man nicht bekommen, sagt mein Vater. Außer man verkauft sie freiwillig dem Teufel.
Oskar begann, beim Lattenzaun ein Loch zu scharren. Eli kratzte sich mit der Maurerkelle den Rücken, er schien nachzudenken.
– Sie kam nicht wieder. Sie nahmen sich viele in Salamanca, kaum ein Haus, wo nicht jemand fehlt.
– So viele?
– Ja.
– Alle?
– Nein, es entkommen immer welche.
– Ins Ausland?
– Oder in den Himmel. Der Himmel ist voller Engel.
Der Pfarrer hatte gesagt, dass Gott sagt, dass die Seele direkt in den Himmel geht. Ob sie mit einem Umweg übers Ausland auch in den Himmel kommt, hatte er nicht erwähnt.
– Weshalb bist du lieber ins Ausland gegangen?
– Für ein kluges Mädchen stellst du ziemlich dämliche Fragen.
Vielleicht hatte der Pfarrer Gott nicht richtig zugehört oder Gott hatte genuschelt. Ich würde Tat anrufen müssen und ihn fragen. Er war schon näher an Gott dran als der Pfarrer, er wusste Bescheid, obwohl er es abstritt. Tat mochte es, wenn ich ihn Kniffliges fragte. Es kitzelte ihn, er kicherte, wenn er Antworten suchte, brauchte Zeit, um welche zu finden. Sein Kopf ist ein großes Haus.
– Nicht mehr alle Zimmer bewohnt, das der Kindheit schon gar nicht. Da muss ich in den Keller, sagte er.
Tat braucht länger als eine Viertelstunde in den Keller und zurück.
Auch Vogel ist auf Reisen. Gegen Abend flog er fort. Vogel geht gern im Gras und vertraut Katzen. Was soll nur aus ihm werden?
Mein Vater kann mich nicht trösten.
Er kommt bestimmt, der Schlaf, el sueño. Ich warte.
Wo ist Vogel …
W O IST VOGEL?
Ich ziehe alles an, was ich habe, und lasse das Fenster offen stehen. Meine Mutter kommt, um es zu schließe n –, und fragt, wozu ich den Garten heize.
Vogel ist nicht von hier, er mag es warm.
Der Himmel ist voller Engel.
Ich kann den Himmel nicht heizen.
Aus seinen Ferien …
A US SEINEN FERIEN BRACHTE uns Toni viel italienisch mit und wenig deutsch, große Gläser voll eingekochter Tomaten, ein riesiges Stück bröckligen Käse, Mozzarella, der in Wasser schwamm, zwei Kanister Olivenöl und drei mit Wein. Beim bloßen Denken an die Schlepperei brach ihm wieder der Schweiß aus. Er trug schwarze Kleider. Seine Mutter war gestorben. Darüber reden wollte er nicht weiter.
– Es war vorauszusehen.
Bei der Nachricht, dass Vogel fort war, hob er die Brauen, und
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