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Monica Cantieni

Monica Cantieni

Titel: Monica Cantieni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grünschnabel
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nach der, dass meine Mutter sich fünfzehn Mal hatte beerdigen lassen während seiner Abwesenheit, bekam ich eine Ohrfeige. Dass Eli sich vor der Ausländerpolizei verstecken musste, hätte ich ihm gern erzählt, aber meine Mutter sagte es ihm. Toni wühlte mit den Zehen im Teppich. Und als ich ihm erzählte, dass Eli ganze Tage bei Dejan und Mirela im Keller saß und dann vor Schneewittchens Stall, Schneewittchen jetzt Schneewittchen de Eliseo Álvaro Manuel Raúl Caballero Pardo hieß und die Post für Eli aufbewahrte, seit er sein Türschild an der Stalltür geschraubt hatte, bekam ich noch eine Ohrfeige, Toni wurde bleich wie der Mozzarella, den er grade in Scheiben schnitt. Er legte das Messer weg.
    – Suchen sie ihn?
    – Natürlich.
    – Im Haus auch?
    – Sie waren mal hier, aber da wussten wir noch nicht mal, wo er steckt.
    – Wisst ihr es jetzt?
    Meine Mutter zuckte mit den Achseln.
    – Mal hier, mal da. Was soll die Fragerei?
    Ich konnte den Mund nicht halten. Schließlich fütterte ich Schneewittchen, nicht meine Mutter, schließlich traf ich Eli beim Postholen oder wenn er etwas in den Schuppen stellte, schließlich hatte ich ihm Streichhölzer gebracht und ein Paket Spaghetti aus dem Schrank, damit er nicht in Versuchung kam, Schneewittchen zu essen. Ich hätte gern etwas gesagt, meine Mutter schien es mir anzusehen.
    – Kein Wort mehr, verstanden? Du hast keine Ahnung, wovon du redest. Und wo Eli ist, weißt du nicht, wo Eli sich aufhält, wissen wir auch nicht, erst recht nicht, wenn einer fragt. Du weißt gar nichts, wenn einer fragt, ein für alle Mal: nichts! Ist das klar? Du bringst uns noch in Teufels Küche. Raus!
    – Lass sie doch.
    Meine Mutter war in einem Zustand, den Tat Blanke-Nerven-Phase nannte. In der Blanke-Nerven-Phase meiner Mutter durfte man nur noch nicken oder den Kopf schütteln, je nachdem, was gefragt war. Selbst Tat hielt es dann für besser, den Mund zu halten oder so zu tun, als ob er taub wäre; er setzte dann ein Lächeln auf, als hätte sie ihm grade eine Tasse warme Milch mit Honig gebracht. Tat durfte das wegen seines sehr hohen Alters, in dem sowieso Hopfen und Malz verloren ist, wenn es um Erziehung geht, aber mir war das nicht erlaubt. Ich nickte.
    Ihre Handtasche fiel zu Boden, erstaunlich, wie viele Dinge darin Platz hatten. Sie kehrte alles auf einen Haufen und stopfte es zurück.
    – Ist Eli bei euch?
    – Ich sagte, wir wissen nicht, wo er steckt.
    Dabei zog sie die Brauen hoch und ließ Toni und mich nicht aus den Augen.
    – Kommt die Polizei wieder?
    – Woher soll ich das wissen? Was ist denn mit dir? Was fragst du mich das alles?
    – Gehen wir etwas spazieren? Gehen wir raus, komm.
    Meine Mutter antwortete nicht, sie sagten beide eine Weile nichts, schauten einander bloß an, schauten ab und an mich an, schauten weg, irgendwohin. Schließlich lächelte Toni, er konnte lächeln, dass die Blondierte drei ihrer rosa Lieblingstörtchen hätte essen müssen, um einen Vergleich zu haben im Mund.
    Dass wir nicht mehr bei Toni in der Wohnung herumsaßen, war auch meinem Vater recht. Er war der Meinung, dass meine Mutter etwas frische Luft vertragen konnte. Man konnte bei Tat sehen, was passierte, wenn er bloß im Haus herumsaß, weil das Wetter zu schlecht war: Er wurde noch schneller schrumplig als seine Äpfel im Keller, es schien, als habe er es in letzter Zeit auf ein Wettrennen mit ihnen angelegt, und mein Vater wollte auf keinen Fall, dass meine Mutter sich auch auf einen Wettbewerb in Schrumpligkeit einließ, wenn schon der ganze Garten an ihm allein hängen blieb und nur ihn frisch hielt wie das Gemüse selbst.
    Meine Mutter und ich holten Toni an der Tür ab. Gemeinsam erfanden sie über Wochen immer neue Worte für ihre Spaziergänge, ich schrieb mir alle auf, der Lehrer korrigierte sie gern, er war begeistert und nannte das Wendungen , wenn ich wieder eine mitbrachte, und was meine Mutter da hatte, sagte er, war eine Menge Inspiration :
    Sie gingen auf einen Sprung hinaus . (Nur kurz.)
    Sie gingen frische Luft schnappen . (Bloß um die Ecke.)
    Sie vertraten sich ein wenig die Beine . (Um mal rauszukommen.)
    Sie gingen spazieren . (Weil doch die Sonne scheint.)
    Sie bummelten . (Trotz Regen.)
    Sie schlenderten , während der Wind ging. (Das bisschen Wind, das geht.)
    Toni bekam Schnupfen und wurde ihn nicht wieder los.
    Schließlich flanierten sie. Die Königsdisziplin nannte das meine Mutter. Es diente der Erholung, wie das anschließende Sitzen

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