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Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter

Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter

Titel: Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Jaeckel
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grässlichem Ächzen in mir aus. Während der folgenden Zeit bis zum ersten Tag der Regel bevorzugte er andere Spielchen.
    So legte er mir beispielsweise Pornohefte vor und verlangte von mir, die dort abgebildeten Szenen nachzustellen. Am meisten liebte er eine Stellung, die er wegen meines ungeschickten Benehmens »Trampeltier« nannte. Dabei musste ich auf allen vieren knien, sodass er bequem in mich eindringen konnte. Mein Vater »belohnte« mich gern mit dieser Position, wenn ich mich etwa einmal nicht seinen Wünschen gemäß verhalten hatte, wenn ich vielleicht doch einmal geweint oder »Nein!« geschrien hatte. »Ich habe dich gewarnt!«, hieß es dann. »Du hattest es in der Hand. Du wolltest es so. Du bist selber schuld.«
    Selber schuld! Unauslöschlich prägten sich diese Worte in mir ein.
    Seit jeher hatte ich meinen Körper verachtet. Jetzt fing ich an, ihn zu hassen. Warum wuchs mein Busen? Warum trocknete meine Scheide nicht ein? Warum wurde mein Körper nicht unfähig, diesen widerlichen Riesenpimmel in sich aufzunehmen? Warum war ich eine Frau? Warum lebte ich noch?
    Ich glaube nicht, dass ich mich wirklich umbringen wollte, als ich die Schlaftabletten meiner Mutter schluckte. Ich wollte Ruhe und in Ruhe gelassen werden. Ich wollte, dass mein Vater diesen stummen Protest verstand. Aber der Einzige, der verstand, war Georg.
    Er fand mich, als er vom Fußballspielen nach Hause kam. Bis zum Hals in die Bettdecke eingerollt und voll angezogen, lag ich in seinem Bett. Als er mich rüttelte, wachte ich nicht auf. Dann sah er das Tablettenröhrchen neben dem Bett und das verschmierte Glas auf dem Nachttisch. Er weinte, als er es mir später erzählte, in diesem Moment aber weinte er nicht. Er zerrte mich an die Bettkante, bis mein Kopf herunterhing, und steckte mir den Finger in den Hals. Der Brechreiz weckte mich auf.
    »Tu das nie wieder!« Georg schrie mich an. »Lass mich hier ja nicht allein!«
    So weit hatte ich nicht gedacht.
    Meine Müdigkeit und die fehlenden Tabletten im Medizinschränkchen – als meine Mutter abends nach Hause kam, hatte sie eins und eins rasch zusammengezählt. Wie eine Furie raste sie auf mich los. Ob ich mich wieder mal interessant machen müsse? Auf diese Weise werde ich auch nicht erreichen, dass Papa sich mehr aus mir macht. Wenn ich so etwas noch einmal versuchen würde, käme ich ins Heim, dafür werde sie schon sorgen. Schließlich habe sie Beziehungen genug. Diesmal ließe sie noch mit sich reden, aber wenn ich Ärger suchte, könne ich ihn kriegen.
    Ich weiß nicht mehr, was sie alles aus sich herausbrüllte. Kopf und Magen taten mir weh. Ich wollte nur noch schlafen.
    Als mein Vater nachts in mein Bett und in mich eindrang, spürte ich kaum, was er tat. Die Tabletten: kleine, weiße Wunderwirker! Ich hatte endlich ein Mittel gefunden, meinen eigenen Körper auszuschalten.
    »Moni«, sagte Georg mitten in eine dieser albernen Samstagabend-Fernsehshows hinein, »wie ist das eigentlich, wenn man stirbt?«
    Niemand konnte uns hören. Unsere Eltern waren im Club, Stefan hatte sich ins Kino abgeseilt, Boris war über Nacht bei Oma Grete.
    Georgs unvermittelte Frage ließ mich innerlich erzittern. Tief in mir breitete sich eine diffuse Vorahnung aus. »Woher soll ich das wissen?« Ich sprach betont unfreundlich. Vielleicht gab er auf.
    Ich hätte es besser wissen müssen. Wenn Georg sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, gab es kein Pardon und kein Zurück. »Du hast es doch versucht«, sagte er. »Hat es wehgetan?«
    Langsam nahm ich die Füße von der Couch. »Nein«, gab ich zurück und sah Georg an. »Die Tabletten schmeckten scheußlich, sonst war nichts.«
    »Aber dann?«, bohrte Georg. »Als du eingeschlafen bist, wie war das? Der Kaplan sagt, da geht man wie durch einen Tunnel, und am Ende ist ganz viel Licht, und da warten dann alle schon.«
    Ich hatte keinen Tunnel gesehen und auch sonst nichts. Mein Magen hatte gebrannt und der Hals. Ich hatte den bitteren Geschmack der aufgelösten Tabletten bis tief unten geschmeckt. Dauernd wollte das Zeug wieder hoch und raus. Es fiel mir schwer, nicht zur Toilette zu rennen und dort alles auszuspucken.
    »Ich wurde ziemlich schnell müde«, sagte ich. »Erst war’s ganz wirbelig im Kopf, mit so einem Sausen in den Ohren. Dann rückte alles irgendwie immer weiter von mir weg. Die Arme und die Beine waren ganz schwer. Ich dachte noch, dass es ein komisches Gefühl wäre. Von danach weiß ich nichts mehr.«
    Eine Weile guckten

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