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Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter

Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter

Titel: Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Jaeckel
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selbstverständlich auch nur ein Versehen.
    »Kann jedem passieren, dem Dümmsten zuerst!« Der Lieblingsspruch meines Vaters passte zu jeder Gelegenheit.
    Kurz nach dem Essen – ich hatte keinen Hunger und war froh, dass mein Vater mir verboten hatte mitzuessen – brachen wir auf. Mein Vater fuhr schnell, er schien den Weg zu kennen. Ein drückendes Gefühl stieg aus meinem Bauch in den Brustkorb auf, legte sich wie eine große Hand um mein Herz, das plötzlich zu flattern, schmerzhaft zu rasen begann.
    »Papa«, fragte ich und erschrak, wie piepsig meine eigene Stimme klang, »Papa, wie macht der das Kind denn weg?«
    Keine Antwort, nur ein schräger Blick, ein Schulterzucken, Knietätscheln.
    Das Auto wurde unerträglich eng. Papas Hand auf meinem Bein – zu nah, viel zu nah! Dieses Zittern von innen heraus! Mit beiden Händen stützte ich mich auf dem Sitz ab, doch das Zittern war nicht zu verhindern. Mein Vater grinste. Als wir endlich stoppten, war mir schlecht vor Angst.
    Der Arzt öffnete. Ohne ein Wort ließ er uns ein und schloss sofort die Tür hinter uns. Er hatte in seiner Wohnung ein ähnlich eingerichtetes Sprechzimmer wie in der Praxis. Aber die Möbel waren älter, auch der grässliche Stuhl.
    Was genau der Arzt mit mir machte, weiß ich nicht mehr. Vermutlich will ich es auch gar nicht mehr wissen. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich nur dieses lange, löffelähnliche Instrument vor mir, das der Arzt in meine Scheide schob.
    Ich weiß auch nicht mehr, ob ich danach, als ich wieder zu Hause war, Schmerzen hatte. Sicher ist nur, dass ich tagelang krank war. An mein Bett gebunden, war ich allein mit meinen Gedanken. Meine Klamotten waren bald durchgeblutet. Klumpig kam das Blut aus mir, wenn ich auf der Toilette war. Und wenn ich lag, spürte ich es heiß aus mir rinnen. Mir war schwindlig. Der Bauch schmerzte, ohne dass ich hätte sagen können, wo genau.
    Da meine Mutter wegen ihrer Blinddarmoperation im Krankenhaus lag, bat mein Vater Tante Inge, mich zu versorgen. Die Lügengeschichte, die er ihr über meine Krankheit auftischte, konnte ich durch die hellhörigen Wände Wort für Wort verstehen.
    »Was passiert ist?« Er lachte. »Das ist ein Witz, typisch unsere Alte. Kennst doch Monika! Dreht durch, weil irgendetwas nicht nach ihrem Kopf geht, und richtet sich da unten zu, dass Gott sich erbarm. Weiß der Himmel, womit sie in sich herumgebohrt hat. Vielleicht hat sie sich etwas bei Stefan abgeguckt. Weißt ja, wie der sich benimmt – hast es ja oft genug selbst mitbekommen.«
    »Eine Schande!« Tante Inges Empörung über Stefan flammte wieder mal auf. »Sich vor den Augen der anderen ... also nein! Sie blutet, sagst du, und darf nicht aufstehen?«
    »Alles halb so wild«, sagte mein Vater. »Ein paar Tage Bettruhe, dann ist sie wieder fit. Bloß gut, dass Lena den Zirkus nicht mitbekommt. Weißt doch, wie sie ist.«
    »Und ob!« Tante Inge strömte über vor Mitgefühl mit ihrem armen Bruder. »Ein Jammer, dass du ausgerechnet an diese Person geraten bist!«
    »Wo die Liebe hinfällt.« Mein Vater öffnete die Kinderzimmertür. »Tante Inge ist da. Sie bekocht dich.«
    Scheinheilig gab er mir ein Küsschen auf die Stirn. »Gute Zeit, Engelchen. Werd schnell wieder gesund!« Weg war er – fort in die Kneipe um die Ecke, in den Club – oder was weiß ich.
    »Du hast wirklich den denkbar besten Vater, Monika«, sagte Tante Inge und reichte mir zur Begrüßung die Hand. »Wie kannst du ihm nur solchen Kummer bereiten?«
    Als ich in einer Zeitung das Wort »Mogelpackung« las, stellte ich fest, dass dies eine treffende Bezeichnung für diesen treusorgenden Supervater war. Verpackung und Inhalt stimmten nicht überein. Doch niemand riss ihm jemals die schöne Dekoration herunter.
    Auch Tante Inge tat es nicht. Sie fragte nichts. Sie schöpfte keinen Verdacht. Es kam ihr nicht befremdlich vor, dass sich ein heranwachsendes Mädchen angeblich selbst im Genitalbereich blutig geschnitten hatte. Obwohl sie selbst Kinder geboren hatte, fiel es ihr nicht wie Schuppen von den Augen, als sie meine durchgebluteten Binden sah. Und die neuesten Ereignisse lösten in ihr auch keine Erinnerungen an das kleine Mädchen aus, das vor Jahren zu ihr gesagt hatte: »Es gefällt mir nicht, was Papa mit mir spielt.«
    Nein, Tante Inge hielt sich an Papas Wahrheiten. Zweifel an ihrem Abgott gab es nicht.
    So geschickt mein Vater seine Wahrheit bei Tante Inge auch verkauft hatte – als meine Mutter aus dem

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