Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter
heute, das sah ich ihm an, war ihm mein Mund nicht genug. Seit Tagen wartete er auf den Beginn meiner Periode, doch sie kam und kam nicht.
Manchmal konnte sein Flüstern so klingen, als würde er schreien. »Glaubst du, du kannst mich hinters Licht führen? Gib’s zu, du hast dir heimlich Binden genommen, hast mich betrogen, du Miststück! Na los, gib’s endlich zu!«
Seine Schläge trafen mich überall. Wie ich mich auch drehte und wendete, seine Hände waren schneller.
»Nein!«, rief ich. »Ich lüge nicht, Papa, bestimmt nicht!«
Mir war übel. So oft war mir übel in letzter Zeit. Alles drehte sich vor meinen Augen. Dann wurde es schwarz. Ich sah Georg vor meinem bewegungslosen Körper stehen. Er sagte zu meinem Vater: »Ist sie tot? Du bist schuld! Du hast sie umgebracht. Du Schwein! Wenn sie tot ist, zeig ich dich an!«
Ein Schlag, ein Fall. Stille. Dann Hände, die meine Wangen klopften. »Monika! Wach auf! Ich bin es, Papa!«
Ich wollte nicht wach werden. Nie mehr wollte ich wach werden! Mein Vater beugte sich über mich. Seine Pupillen waren noch groß vor Erregung. »Du bist krank«, sagte er leise und verzog das Gesicht. »Ich glaube, wir müssen zum Arzt gehen, wir zwei.«
Ich war krank, mein Vater hatte es gesagt. Aber was für eine Krankheit hatte ich? »Habe ich Blinddarm?«, fragte ich. »Muss ich ins Krankenhaus?«
Meine Mutter war gerade in die Klinik gekommen. Sie sollte am Blinddarm operiert werden. Ihr war auch immer übel gewesen.
»Glaub ich nicht«, sagte mein Vater und streichelte mit meiner Hand sein grässliches Ding. »Jetzt machen wir es uns aber erst mal gemütlich, wir zwei. So schön haben wir’s so bald nicht wieder.«
Über mir hörte ich Georgs ersticktes Weinen.
Am nächsten Tag kam mein Vater schon mittags von der Arbeit nach Hause. Tante Inge war bei uns gewesen, hatte geputzt und gekocht. Doch mein Vater hatte keinen Hunger. »Wir haben einen Termin beim Arzt«, sagte er zu mir. »Zieh dich an.«
Es machte mir Angst, dass mein Vater mich zu einem Arzt brachte. Und erst recht war mir unheimlich, dass er mich ins Sprechzimmer begleitete. Die düster-geheimnisvolle Miene, die er aufsetzte, ließ mich an unheilbare Krankheiten denken. Der Anblick des Arztes verstärkte die Angst. Ich erkannte ihn wieder: Er war einer der Gäste meiner Mutter. Ich hatte ihn durch einen Spalt der Kinderzimmertür gesehen. Was hatte dieser Mann mit mir vor? Warum brachte mein Vater mich ausgerechnet zu ihm?
Richtig in Panik geriet ich jedoch erst, als wir das Untersuchungszimmer betraten. Ich war vorher noch nie bei einem Frauenarzt gewesen. Dieser Stuhl mit seinen Beinstützen und Ledergurten löste Assoziationen in mir aus, die meine Ängste in eine schreckliche Richtung lenkten. Wortlos versuchte ich zu entkommen. Doch mein Vater hielt mich fest.
»Ausziehen!«, befahl er. »Alles! Rauf auf den Stuhl! Hoch die Beine!«
Mein Körper stand zur Verfügung, mein Ich flog unerreichbar davon. Als die Untersuchung vorüber war, wusste ich nicht, was im Einzelnen geschehen war.
»Schwanger«, stellte der Arzt lakonisch fest. Er sah mich nicht an dabei. »Sie kriegt ein Kind.«
Ich? Ein Kind? Ich war doch selbst ein Kind! Ungläubig blickte ich von einem zum anderen.
»Sie will nicht sagen, mit welchem Kerl sie sich herumgetrieben hat«, sagte mein Vater. »Spielt auch keine Rolle. Sie kriegt das Kind nicht, ist zu jung, versaut sich das Leben. Sie müssen ihr helfen.«
Der Arzt schüttelte den Kopf. »Nein, das geht nicht. Abtreibung ist illegal. Ich würde meine Existenz aufs Spiel setzen.«
»Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg«, antwortete mein Vater. Dann beugte er sich über den Schreibtisch und sagte mit gedämpfter Stimme: »Meine Frau hat sehr gute Beziehungen zur Presse, zur Polizei, sogar ein hohes Tier vom Gericht ist dabei. Sie glauben ja gar nicht, wie schnell sich da Gerüchte verbreiten! Also, wenn da mal etwas durchsickern würde, dass ein gewisser Arzt aus Sowieso pädophile Neigungen hat – na, ich will ja nichts beschwören, aber ...«
Der Arzt hatte mehrmals versucht, meinen Vater zu unterbrechen. Jetzt hob er hilflos die Hände. »Schon gut, schon gut. Aber nicht hier. Mein Ruf, Sie verstehen. Kommen Sie zu mir, privat. Wir telefonieren. Ich muss mich auf Ihre äußerste Diskretion verlassen können. Wenn die Sache auffliegt, sind Sie mit dran.«
»Wann?«, fragte mein Vater kurz, während er mich von dem Stuhl hochzog, auf den er mich zu Beginn des Gesprächs
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