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Monkeewrench 01 - Spiel unter Freunden

Monkeewrench 01 - Spiel unter Freunden

Titel: Monkeewrench 01 - Spiel unter Freunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PJ Tracy
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wiederholte Peterson. «Ich hätte nicht gedacht, dass heute hier überhaupt jemand auftaucht, und jetzt melden die Mall-Betreiber, dass bereits alle Besucherrekorde gebrochen sind. Entweder sind diese Leute samt und sonders bescheuert oder einfach blutrünstig und vielleicht nur hergekommen, weil sie gehört haben, dass was Schreckliches passieren würde. Das find ich fast noch gruseliger als die Morde.»
    «Minnesota, wie es leibt und lebt», murmelte Langer und riss sich endlich vom Anblick der Frau im Rollstuhl los. Er hasste sich bereits dafür, sie so angestarrt zu haben.
    Unzählige Male war er nämlich selbst Ziel dieser schon krankhaft neugierigen Blicke gewesen, wenn er seine Mutter in ihrem Rollstuhl aus dem Pflegeheim geschoben und sich dabei in Gedanken auf die Schulter geklopft hatte, weil er ein so guter Sohn war, ein so pflichtbewusster Sohn, der seine Mutter in den Park ausführte oder ins Shopping-Center oder auch nur zu McDonald's an der Ecke, als wenn sie noch immer ein vollwertiger Mensch war. Er schob den Rollstuhl vor sich her, blickte dabei auf ihren Hinterkopf, der eigentlich so aussah wie eh und je, und machte sich vor, dass es immer noch seine Mutter war, die darin steckte.
    Aber Menschen, die sie von vorn sahen, wussten es besser, und deren Blicke drückten die schreckliche Wahrheit aus, dass der Kaiser neue Kleider trug ­ Entschuldigen Sie, Sir, aber könnte es sein, dass Ihre Mutter sabbert? Uriniert? Sich hier mitten bei McDonald's in die Hosen scheißt? Diese lärmenden, beredten und grausamen Blicke hatten den Schwächling in ihm geweckt, der er schon immer gewesen war, und dieser Schwächling hatte dann eine Million Gründe gefunden, warum er seine Mutter heute nicht besuchen konnte, diese Woche nicht und auch diesen Monat nicht mehr, bis sie, eingeschrumpelt wie eine Erbse in der Schote, in jener Nacht starb, als die Pflegeschwester gerade anderweitig beschäftigt war.
    «Langer? Alles okay?» Mein Gott, Schluss jetzt. Sieh nicht mehr hin, Aaron Langer.
    «Ja, alles klar.» Er drehte sich zu Peterson um und verblüffte den Mann mit dem kläglichen Lächeln, das er versuchte. «Nur müde. Und kalt ist mir.»
    «Na, dann nichts wie rein mit dir, Mann. Gönn dir eine heiße Mahlzeit.»
    «Genau. Danke.» Wäre er auch nur halbwegs ein richtiger Mann gewesen oder auch nur halbwegs ein anständiger Mensch, wäre er hinübergegangen, um bei der ihm so vertrauten Anstrengung zu helfen, die unkoordinierte und teilnahmslose Ansammlung unbeseelter Körperteile ins Auto zu laden, zu der Alzheimer ein einst völlig gesundes menschliches Wesen degradiert hatte.
    Er hatte es Gott weiß oft genug getan, um zu wissen, wie man es am besten bewerkstelligte. Aber der Schwächling in ihm behielt doch die Oberhand, und jetzt, da es ihm endlich gelungen war, den Blick abzuwenden, erschien es ihm fast unmöglich, noch einmal zurückzuschauen. Nur ein schneller Blick, als er mit dem Rollstuhl auf gleicher Höhe war, der sich mehrere Autoreihen entfernt rechts von ihm befand. Nur ein schneller Blick aus dem Augenwinkel, um festzustellen, dass man auch ohne ihn der Aufgabe Herr geworden war.
    Er trabte übers Parkdeck zum Eingang der Mall und legte dann die beträchtliche Entfernung zwischen Nordstrom's und Macy's sehr schnell zurück: ein Mann auf der Flucht vor den Schatten der Vergangenheit. Als er schließlich an der Schuhabteilung vorbei war, hatte er sich so weit beruhigt, dass er deutlich wahrnahm, wie sein Gedächtnis ihn sanft auf das aufmerksam machte, was er wirklich gesehen hatte, als er auf dem Parkdeck noch einen schnellen Blick aus dem Augenwinkel auf die Verladung des Rollstuhls geworfen hatte.
    Mitten im schnellen Schritt erstarrte er, ohne den Mann zu spüren, der ihm in den Rücken lief, und ohne dessen leisen Fluch zu hören. «Mein Gott.» Er sagte es ganz leise, und es betraf auch nicht die Rempelei. Dann machte er kehrt und rannte den Weg zurück, den er gekommen war. Den Kopf zur Seite gedreht, gab er Peterson lautstark über Funk Instruktionen, und ihm war schrecklich übel, weil er jetzt wusste, dass die Person, die den Rollstuhl geschoben hatte, die alte Frau zwar in ein Auto verfrachtet hatte, dann aber in den Wagen daneben eingestiegen und weggefahren war. Er versuchte sich einzureden, dass es bestimmt nichts Entscheidendes war, dass es sich nur um einen Pfleger gehandelt hatte, der so frustriert war, dass er sich endlich der Last entledigt hatte, die ihm zu schwer geworden war.

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