Monkeewrench 03 - Mortifer
Roadrunner fort. »Ich hab es überprüft. Es gibt kaum Masten im nördlichen Wisconsin.«
»Wie bitte?« Annie klang wie ein kleines Mädchen, das soeben herausgefunden hatte, dass der Weihnachtsmann in Wirklichkeit nicht existierte.
Roadrunner seufzte. »Keine Mobilfunkmasten, kein Mobilfunknetz. Das nördliche Wisconsin ist mehr oder weniger eine Wüste, was Telekommunikation angeht. Ihr habt vielleicht keine Möglichkeit, bei uns anzurufen, bevor ihr in der Nähe von Green Bay angekommen seid.«
Annie starrte ihn an, als hätte er den Verstand verloren. »Das ist völlig unmöglich! Ich hab letztes Jahr von der Bergstation des Skilifts auf dem Aspen Mountain nach Paris telefoniert, und Aspen liegt mitten in der Wildnis.«
»Ja, sicher«, spottete Harley. »Das ist auch der Grund, warum jedes dämliche Modehaus auf der Welt dort oben einen Laden hat. Lass dir gesagt sein, du hast keine Wildnis gesehen, bevor du im nördlichen Wisconsin gewesen bist.«
»Als würdest du das wissen!«
»Nun ja, rein zufällig weiß ich es. Ich hab mal einen Freund von den Chippewa rauf ins Bad River Rez gefahren. Wir haben drei Stunden lang nichts außer Schwarzbären gesehen, und nicht einer von ihnen hatte ein Handy dabei.«
»Siehst du?«, sagte Roadrunner zu Grace, die Stirn in sorgenvolle Falten gelegt. »Ihr werdet richtig lange ohne jeden Kontakt zur Außenwelt sein.«
Grace lächelte ihn an. Roadrunner brachte es irgendwie fertig, gleichzeitig das Kind und die besorgte Mutter der Monkeewrench-Crew zu spielen. Seine Einstellung war stets düster, und seine Lebensphilosophie zeugte von latentem Pessimismus. »Es ist nur eine Fahrt von sechs Stunden, Roadrunner.«
»Sicher, zugegeben, aber in sechs Stunden kann eine Menge passieren. Der Wagen könnte kaputtgehen. Ihr könntet einen Elch rammen, ein Reifen könnte platzen, ihr könntet von der Straße abkommen und gegen einen Baum knallen und stundenlang mit gebrochenen Armen und Beinen bewusstlos daliegen …«
Harley versetzte ihm einen derben Schlag gegen den Hinterkopf.
Zehn Minuten später standen Harley, Roadrunner und Charlie am Ende der Auffahrt wie drei verlassene Welpen und sahen Grace’ Range Rover hinterher, in dem die beiden Frauen davonfuhren.
»Wir hätten mit ihnen fahren sollen«, sagte Roadrunner besorgt.
Charlie winselte leise seine Zustimmung.
»Kein Platz in diesem erbärmlichen kleinen SUV für zwei große, stramme Männer wie uns und drei Frauen mit all ihrem Make-up. Annie hat einen ganzen verdammten Koffer voll, kannst du dir das vorstellen? Für ein Wochenende in Green Bay, wo nie irgendjemand was anderes trägt außer Sweatshirts von Packers!«
»Wir hätten den RV nehmen können …«
»Verdammt, Roadrunner! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du ihn nicht so nennen sollst? Es ist eine Luxuslimousine!«
»Was auch immer. Wir hätten ihn nehmen können. Wir hätten alle reichlich Platz gehabt.«
Harley starrte missmutig zu der Gruppe von Birken auf der anderen Straßenseite. Er federte auf seinen abgelaufenen Sohlen vor und zurück. »Ich hasse dieses gottverdammte Wisconsin!«
»Aber die Harley-Davidson-Fabrik liegt in Wisconsin.«
Harleys mächtiger Kopf nickte leicht. »Ja, sicher. Das tut sie.« Viele Leute sind der Ansicht, Chicago wäre die windigste Stadt im Land, nur weil irgendjemand der Gegend irgendwann vor hundert Jahren den Spitznamen »Windy City« verpasst hat. In Wahrheit jedoch ist Chicago nicht annähernd auch nur in der Nähe der obersten Plätze, wenn es um den Wind geht, und selbst in Minneapolis liegt die durchschnittliche Windgeschwindigkeit eine volle Zehntelmeile pro Stunde höher. Minneapolis liegt am Nordrand der Great Planes und stellt somit ein leichtes Ziel für die Präriewinde dar, die während des Sommers über den Mittelwesten hinwegwehen und die warmen Monate erträglich machen für eine Bevölkerung, die sechs oder sieben Monate im Jahr in dicken Parkas herumläuft. Doch in jedem August scheint der Prärie der Atem auszugehen. Der Wind erstirbt, und die Hitze senkt sich über die Stadt wie eine Glocke.
Grace hatte die Hitze nie etwas ausgemacht – genauso wenig wie die Kälte, was das anging. Aber selbst nach elf Jahren in diesem Staat war sie immer noch sprachlos angesichts der Art und Weise, wie die Einheimischen auf das Wetter fixiert waren. Annie hingegen hatte sich fast augenblicklich dieser neuen Besessenheit hingegeben. Wie fast jeder andere Bewohner des Staates verfolgte sie bei jeder
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