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Monkeewrench 06 - Todesnaehe

Monkeewrench 06 - Todesnaehe

Titel: Monkeewrench 06 - Todesnaehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.J. Tracy
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halboffenen Tür erwartete. Seltsam, diese Generation, die joggte, sich von Salat ernährte und glaubte, dadurch ewig zu leben. Vielleicht war Bully in dieser Hinsicht doch besser dran. Man wurde älter, sah zu, wie der eigene Körper verfiel, und irgendwann war jener Teil in einem, der sich mit Zähnen und Klauen ans Leben klammerte, doch endlich bereit loszulassen. Dass man es geschafft hatte, merkte man erst, wenn einem das Gefühl der Akzeptanz nach und nach in die Seele drang. Und irgendwann stand man dann vor einer halboffenen Tür wie dieser hier, spürte instinktiv, dass man auf der anderen Seite etwas richtig Schlimmes vorfinden würde, und machte trotzdem den entscheidenden ersten Schritt.
    Im Haus war es dunkel, trotzdem konnte man die beiden leblosen Körper erkennen, die zusammengesackt vor dem durchgesessenen Sofa lagen. Bully richtete seine Taschenlampe auf diese menschlichen Wracks. Zwei junge Somalier, jeder mit einem Einschussloch in der Stirn. Bully hockte sich neben sie, tastete nach der Halsschlagader, um sicherzugehen, dass sie tot waren, und wuchtete sich dann wieder hoch. «Mach Meldung, Brady. Und anschließend müssen wir das Haus sichern.»
    Adrenalin verändert das Gefühl für Raum und Zeit, und obwohl das Haus klein und quadratisch war, kam es Bully so vor, als würden Brady und er schon stundenlang Rücken an Rücken durch ein endloses Gewirr von Zimmern mit drohend verschlossenen Türen irren. Dahinter konnten sich zahllose Bedrohungen verbergen. Am meisten fürchtete er sich vor dem Täter, der sich vielleicht noch irgendwo versteckt hielt und nichts mehr zu verlieren hatte. Er würde wohl auch noch zwei Polizisten abknallen, um vom Tatort flüchten zu können.
    Während sie systematisch ein Zimmer nach dem anderen sicherten, drang Bully der Schweiß aus jeder Pore, rann ihm den Oberkörper entlang und durchnässte seine Uniform. Er hatte keine Ahnung, wie es um sein Herz stand, und eigentlich interessierte ihn das auch nicht weiter, doch momentan fühlte es sich so an, als versuchte ein wildes Tier, sich mit scharfen Klauen aus seiner Brust zu wühlen.
    Stirb jetzt bloß nicht an einem Herzinfarkt, du alter Fettkloß. Nur noch ein letztes Zimmer, eine letzte verschlossene Tür. Es ist bald vorbei. Anscheinend bist du doch noch nicht ganz über die Angst vor dem Tod hinweg.
    Er machte Brady ein Zeichen, und sie postierten sich rechts und links von der Tür, die Waffen im Anschlag. «Polizei!»
    Sie warteten, lauschten angestrengt auf irgendein Geräusch, und beider Atem ging rasch und synchron vor Angst. Nach ein paar weiteren Sekunden, in denen man nichts hörte, nickte Bully schließlich, und Brady drehte den Türknauf. Dann schüttelte er den Kopf.
    Verdammt
. Bully klopfte noch einmal lauter, gab sich noch einmal zu erkennen, doch es blieb weiterhin alles still. Sie mussten die Tür aufbrechen.
    In den Sekundenbruchteilen, die er brauchte, um einen Schritt Anlauf zu nehmen, die Schultern zu straffen und seinen Körper in einen Rammbock zu verwandeln, wurde er plötzlich von glücklichen Kindheitserinnerungen überschwemmt. Seit Jahren hatte er nicht mehr daran gedacht, wie er seinen ersten Barsch im Elbow Lake gefangen hatte, oder an seine erste Wildreisernte oder an die prachtvolle Aufmachung der verschiedenen Tänzer bei seinem ersten Pow-Wow, wie sie zu den hypnotischen Rhythmen der Trommeln und Gesänge ihre Kreise drehten, und wie er sich später mit Fladenbrot und Wildeintopf vollgefuttert hatte, bis er beinahe platzte.
    Er hatte keine Ahnung, was ihn hinter dieser Tür erwartete, doch als er die Schulter dagegenrammte, spürte er die beruhigende Gewissheit, dass er darauf vorbereitet war.
    Das stellte sich allerdings als Irrtum heraus. Der Moment, als die Tür aufflog, war umwerfend: ein Moment, der sich ihm in die Seele grub und ihm den Atem nahm, ein Moment, der sich irgendwann zu einer einschneidenden, wichtigen und unvergesslichen Erinnerung verdichten würde. Hinter der Tür wartete nicht der Tod, sondern das Leben, und das kam so absolut unerwartet, dass Bully glaubte, ohnmächtig zu werden.
    Er ließ den Strahl seiner Taschenlampe durch den kleinen stinkenden Raum wandern. Auf dem Boden kauerten, dicht aneinandergedrängt, vier kleine Mädchen, barfuß, an den Handgelenken gefesselt, mit verfilzten Haaren. Ihre braunen Augen blinzelten ins Licht, desorientiert und voller Angst.
    «Zwei Krankenwagen, Brady. Schnell», flüsterte Bully über die Schulter, dann trat er

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