Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monster

Monster

Titel: Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
Heidi, waren sie halb geöffnet gewesen. War das schon Stimulation genug, um ihn zu einer Reaktion zu bewegen? Und zog er sich nun als Reaktion auf seine neuerliche Isolation nur noch weiter zurück?
    Ich hörte ein Trippeln von unten. Ich schaute hinab und sah seine Füße. Er war barfuß. Hatte seine Papierslippers abgestreift, ohne dass ich es mitbekommen hatte.
    Zwei knochige, bleiche Füße. Unverhältnismäßig groß. Die Zehen unnatürlich lang. Sie trommelten auf den Boden. Schneller als der Rhythmus seines Oberkörpers, völlig asynchron zu seinem tardiven Ballett.
    Bewegungen allenthalben, aber nicht die Spur einer Absicht dahinter - das mechanische Zappeln einer Marionette.
    Und die ganze Zeit über blieben seine Augen fest verschlossen. So nah, wie ich ihm jetzt war, konnte ich sehen, dass die Wimpern mit einer trockenen grünlichen Kruste durchsetzt waren.
    »Ardis«, sagte ich.
    Das Getrommel ging weiter.
    Ich versuchte es erneut. Keine Reaktion.
    Ein paar Minuten vergingen. »Ardis. Mein Name ist Dr. Delaware. Ich möchte mit dir über Dr. Argent reden.«
    Nichts.
    »Ciaire Argent.«
    Keine Reaktion. Ich sagte meinen Spruch noch einmal auf. Peakes Lider blieben geschlossen, doch es machte sich ein Zucken bemerkbar. Kontraktion und Entspannung. Das Zucken von Muskelsträngen im Schläfenbereich. Ein paar Krümel von der grünlichen Kruste fielen auf seinen Schoß.
    Eine Reaktion? Oder nur unwillkürliche Bewegungen?
    Ich drehte mich zur Seite und rückte noch näher an ihn heran. Wenn er mich hätte küssen oder mir die Augen herausreißen wollen, er hätte es gekonnt.
    »Ardis, ich bin hier wegen Dr. Argent.«
    Wieder das Zucken eines Augenlids - eine ruckartige Bewegung, die wie eine Welle unter seiner papierartigen Haut dahin wanderte.
    Definitiv eine Reaktion. In einem gewissen Maße konnte er seine Aufmerksamkeit fokussieren.
    Ich sagte: »Du hast Dr. Argent viel bedeutet.« Zucken Zucken Zucken.
    »Und sie hat dir viel bedeutet, Ardis. Erzähl mir, warum.«
    Seine Augenlider zuckten und flatterten wie ein Frosch bei einem galvanischen Experiment. Ich maß die Zeit in tardiven Sequenzen: eine T.S., zwei T.S. … zehn T.S.
    Zwölf. Zwei Minuten. Dann hörte er auf.
    Nach meinem subjektiven Empfinden hatte das Ganze länger gedauert als hundertzwanzig Sekunden. Ich war zwar alles andere als gelangweilt, aber die Sekunden schleppten sich dahin. Ich überlegte, wie lange Peake wohl für seinen Amoklauf gebraucht hatte. Waren die Ardullos bei vollem Bewusstsein gewesen, oder hatten sie geschlafen? Oder irgendwo dazwischen? Hatte sie der Tod in jener obskuren Zwischenwelt zwischen Schlaf und Wachsein ereilt, wo sie dachten, es sei alles nur ein böser Traum?
    Ich erwähnte noch einmal Claires Namen. Peakes Augen zuckten, aber das war auch schon alles.
    Ich dachte an das Foto von seiner Verhaftung, der schreckerfüllte Blick in seinen Augen. Es erinnerte mich an etwas - an einen bösartigen Hund aus meiner Kindheit. Er hatte eine lange Blutspur hinter sich hergezogen, doch als er schließlich von dem Hundefänger in die Ecke getrieben worden war, hatte er sich zusammengerollt und gewinselt wie ein verhungernder Welpe …
    Inwiefern war Gewalt nichts weiter als Furcht, die in die Welt zurückgeschleudert wurde? War Brutalität im Grunde nichts anderes als Feigheit?
    Nein. Das glaubte ich nicht. Ich war noch immer überzeugt, dass Claires Mörder aus einer Position der Macht und Dominanz gehandelt hatte. Aus Spaß.
    Hatte Peake Spaß und Freunde empfunden bei dem Blutbad, das er angerichtet hatte? Wenn man ihn nun ansah, fiel es schwer, sich vorzustellen, dass er überhaupt so etwas wie Freude empfinden konnte.
    Ich sagte: »Augen hin, Deckel zu.«
    Kein Zucken unter den Lidern.
    »Tschu tschu bäng bäng.«
    Nichts.
    Ich versuchte es noch einmal. Erneut keine Reaktion.
    »Dr. Argent«, sagte ich.
    Nichts. Hatte ich ihn abgeschaltet?
    Fünf TS., sechs … die Augen zuckten.
    »Warum musste Dr. Argent sterben, Ardis?«
    Elf, zwölf… Zucken, Zucken, Zucken.
    »Was ist mit Wark?« Vierzehn … »Griffith D. Wark?«
    Sechzehn, siebzehn. Nichts.
    »Blood Walk.«
    Die Augenlider bewegungslos.
    Vielleicht hatte das Zucken gar nichts zu bedeuten, und ich war meinem eigenen Wunschdenken aufgesessen und hatte eine zufällige neurologische Aktivität mit einer Bedeutung befrachtet, die sie gar nicht hatte.
    Da mir klar war, dass dies die letzte Gelegenheit sein konnte, aus Peake etwas herauszuholen, beschloss ich

Weitere Kostenlose Bücher