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Monster

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Titel: Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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    Ihre Namen hatten dazu geführt, dass er die Jesus-Pose eingenommen hatte. Eine Märtyrer-Pose.
    Konnte es sein, dass er überhaupt keine Reue zeigte? Dass er sich selbst als Opfer sah?
    Mit einem Mal ging mir auf, in was für ein absurdes und unsinniges Unternehmen ich mich hier verstrickt hatte - ich versuchte, Informationen aus einem gestörten Hirn herauszuklauben, bei dem die Übergänge zwischen Sünde und Vergebung völlig fließend waren. Wer sollte daraus irgendeinen Nutzen ziehen?
    Hatte Ciaire Peake in ähnlicher Weise bedrängt? Und hatte sie in gewisser Weise ihre Neugier mit dem Leben bezahlt?
    Die Enge des Raumes wurde immer drückender. Ich stand mit dem Rücken gegen die Tür gepresst und konnte einfach nicht genug Distanz zwischen mir und der weißen Gestalt schaffen, die da an der Wand zu hängen schien.
    Seine Tränen flossen nur noch spärlich.
    Tränen des Selbstmitleids.
    Monster.
    Er nahm sein Leiden gelassen hin.
    Ganz langsam ließ er den Kopf kreisen. Hob das Kinn ein wenig. Schaute mich an. Und plötzlich erschien etwas in seinem Blick, das ich zuvor noch nicht wahrgenommen hatte.
    Schärfe. Ein klares Ziel.
    Er nickte. Wissend. Als hätten wir beide nun etwas gemeinsam.
    Ich drückte mich mit dem Rücken gegen die Tür.
    Sie gab hinter mir nach, und ich stolperte nach draußen.
     
    Heidi sagte: »Tut mir Leid! Ich hätte sie erst entriegeln und Sie dann warnen sollen.«
    Ich rappelte mich auf, atmete tief durch und lächelte sie an. Nur nichts anmerken lassen. Milo stand da und musterte mich - mit ihm Dollard und die drei Ärzte, Aldrich, Steenburg und Swenson. Alle drei trugen Sporthemden, als ob sie gerade von einer Golfpartie zurückgekommen wären. Doch in ihren Gesichtern kein Zeichen von Spaß oder Freude.
    Heidi schob die Tür zu, warf dann aber doch noch einen Blick in die Zelle und wurde blass. »Was macht er da? Was ist da los?«
    Die anderen kamen herbei und starrten ungläubig in die Zelle. Peake hatte wieder die Jesus-Pose eingenommen und den Kopf zur Seite geneigt. Doch seine Tränen waren versiegt.
    Ich sagte: »Er ist vor ein paar Minuten aufgestanden und hat sich so positioniert.«
    Aldrich meinte: »Meine Güte … hat er so was schon mal gemacht, Heidi?«
    »Nein, nie. Er steht sonst nie vom Bett auf.« Es klang fast so, als hätte sie Angst. »Dr. Delaware, wollen Sie etwas sagen, er ist ohne fremde Hilfe aufgestanden?«
    »Ja.«
    Steenburg und Swenson tauschten rasche Blicke aus. Aldrich sagte: »Interessant.« Die Bedeutungsschwere seines Tonfalls grenzte ans Komische. Es war unübersehbar, dass er sich um Kompetenz und Autorität in einem Fall bemühte, von dem er nicht die geringste Ahnung hatte.
    Frank Dollard sagte: »Was haben Sie zu ihm gesagt, dass er sich so aufführt?«
    »Nichts«, sagte ich.
    »Sie haben nicht mit ihm geredet?«
    Milo sagte: »Und wenn schon. Bisher hat er gedacht, er sei ein Stück Dreck, und jetzt hat er sich in Jesus verwandelt.«
    Dollard und die Ärzte warfen ihm scharfe Blicke zu.
    Swenson sagte: »Hat er jemals über religiöse Themen geredet, Heidi?«
    »Nein, das versuche ich doch, Ihnen zu erklären. Er redet fast gar nicht. Punkt.«
    Swenson verschränkte nachdenklich die Hände über seiner Gürtelschnalle. »Ich verstehe … das ist also etwas ganz Neues.«
    Dollard zuckte mit dem Kopf in meine Richtung: »Sie sollten uns besser sagen, worüber Sie mit ihm gesprochen haben. Wir müssen das wissen, falls er ausrastet.«
    Dr. Aldrich sagte: »Gibt’s da irgendein Problem, Frank?«
    »Diese Leute hier sind ein Problem, Dr. Aldrich. Andauernd kreuzen sie hier auf, bringen den Betrieb durcheinander und rücken Peake auf die Pelle. Mister Swig hat nur fünfzehn Minuten mit der Gruppe für Alltagsfertigkeiten bewilligt. Von Peake war gar nicht die Rede.« Er deutete durch den Türspalt. »Sehen Sie sich das an. Ein Kerl wie der da. Wer weiß denn, was da passieren könnte? Und wofür das alles? Er kann unmöglich irgendwas mit Dr. Argent zu tun haben. Ich hab’s ihnen gesagt, und Mister Swig hat’s ihnen gesagt -«
    Aldrich wandte sich an Milo: »Welches Ziel verfolgen Sie hier eigentlich genau?«
    »Den Mord an Dr. Argent aufzuklären.«
    Aldrich schüttelte den Kopf. »Das ist keine Antwort. Warum haben Sie Peake vernommen?«
    »Er hat etwas gesagt, das so gedeutet werden kann, als hätte er den Mord an Dr. Argent vorhergesagt.«
    »Vorhergesagt? Was im Himmel soll das nun schon wieder heißen?«
    Milo erzählte es

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