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Monster

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Titel: Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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konzentriert? Auf mich.
    Ein Erfolg. Doch ich fühlte mich, als ob ein Skorpion auf meinem Rücken entlangspazierte.
    Ich sah nach seinen Händen. Diese Hände. Beide in die Bettlaken verkrallt.
    Aufpassen, dass er sich nicht plötzlich bewegt.
    »Scott und Terry Ardullo«, sagte ich.
    Er starrte weiter.
    »Scott und Terry. Brittany und Justin.«
    Er blinzelte. Einmal, zweimal, sechsmal, zwanzig, vierzig - krampfartige Kontraktionen der Augenlider, die nicht enden zu wollen - oder zu können - schienen.
    Gleichmäßig wie ein Metronom. Hypnotisch. Ich spürte, wie es mich förmlich einsog. Vorsicht, aufpassen, lass das auf keinen Fall zu, schau auf seine Hände …
    Seine Arme hoben sich erneut. Eine plötzliche Angst versetzte mir einen Stich, und ich stand auf und wich zurück.
    Er schien es nicht zu bemerken.
    Sondern erhob sich ebenfalls. Alleine. Ohne fremde Hilfe.
    Er stand zwar etwas wackelig, doch er schaffte es, sich aufrecht zu halten. Er wirkte stärker und kräftiger als draußen auf dem Flur, wo Heidi ihn festgehalten hatte.
    Sein Blick war noch immer starr. Erfüllt von Hitze. Die Hände ballten sich zu Fäusten.
    Er drückte den Rücken durch.
    Machte einen Schritt auf mich zu.
    Okay, Delaware, du hast es geschafft!
    Ich machte mich auf einen Angriff gefasst, überlegte, wie ich mich gegen ihn wehren konnte. Doch was sollte er mir schon antun? Schwach und zerbrechlich, wie er war. Und eine Waffe hatte er auch nicht.
    Noch ein Schritt. Er streckte die Arme aus. Als wollte er mich umarmen.
    Ich zog mich zur Tür zurück.
    Sein Mund öffnete sich - keine Zungenstöße mehr, nur noch eine verzerrte Öffnung ohne Lippen, die sich verzweifelt bemühte, irgendetwas hervorzubringen: Worte, Schreie … irgendetwas -
    Und plötzlich entwich dieser sich windenden Öffnung ein schriller, trockener Laut. Leise, zerbrechlich, hallend - eigentlich eher ein Tönchen, doch es dröhnte in meinen Ohren -
    Und wieder hoben sich seine Arme. Ganz langsam. Als sie auf Schulterhöhe waren, begannen sie zu flattern. Wie ein Vogel. Nicht wie ein Raubvogel, sondern eher feingliedrig, zart - ein Kranich.
    Ohne Vorwarnung drehte er mir den Rücken zu und hoppelte, immer noch mit seinen imaginären Flügeln schlagend, auf die mir gegenüberliegende Wand zu.
    Er drückte sich mit dem Rücken an die Wand, hielt die Arme ausgestreckt und neigte den Kopf nach rechts.
    Seine Augen standen noch immer offen - weit offen - weit aufgerissen. Ich sah die rosafarbenen Ränder. Feuchte Augen, die sich mit Tränen füllten, bis sie Überflossen und ihm die eingesunkenen Wangen hinunterströmten.
    Sein linkes Bein rückte vor das rechte, sodass er nur noch auf einem Fuß stand.
    Wollte er noch mehr wirken wie ein Vogel? Nein, nein.
    Er stellte sich in Pose.
    Eine unmissverständliche Pose.
    Eine Kreuzigung.
    Festgenagelt an ein unsichtbares Kreuz.
    Tränen strömten sein Gesicht hinunter. Hilflos zuckend wurde sein zerbrechlicher Körper von unkontrollierten, stillen Schluchzern geschüttelt wie ein nasses Katzenbaby.
    Der weinende Jesus.

29
    Er blieb so stehen.
    Wie lange war ich jetzt schon hier drin? Es war ziemlich sicher, dass Dollard in seiner Ungeduld und Feindseligkeit mich demnächst hier herausbeordern würde.
    Doch fünf Minuten später war noch immer nichts passiert.
    Peake stand nach wie vor an der Wand. Seine Tränen flossen noch immer, wenn auch nicht mehr so heftig wie zuvor.
    Und der Gestank war auch wieder da. Es juckte mich überall. Meine Sinne funktionierten wieder. Mit erhöhter Intensität. Ich wollte raus.
    Ich klopfte gegen die Tür, doch es war nur ein schwaches Pochen. Ob man das draußen auf dem Korridor überhaupt mitbekam? Noch drang jedenfalls kein Geräusch in die Zelle. Ich probierte den Riegel. Abgeschlossen. Nur von außen zu öffnen. Die Tür ließ sich nur von außen öffnen. Reizentzug. Was richtete man mit so was bei einem ohnehin schon verwirrten Geist an?
    Ich klopfte noch einmal. Lauter. Nichts.
    Peake verharrte in seiner Kreuzigungspose, als sei er mit unsichtbaren Nägeln festgenagelt.
    Die Namen seiner Opfer hatten seine Tränen zum Fließen gebracht. War es Reue oder Selbstmitleid?
    Oder etwas, das zu verstehen ich nicht einmal hoffen konnte?
    Ich dachte daran, wie er die Küche der Ardullos betrat, seine Mutter dort sitzen sah … die Kraft, die nötig gewesen war, um die Halswirbelsäule zu durchtrennen … und dann oben, wie er mit Scott Ardullos Baseballschläger gewütet hatte.
    Die Kinder

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