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Monster

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Titel: Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Anzeige, in welchem Stockwerk der Fahrstuhl sich befand, und aus dem Fahrstuhlschacht waren keine Geräusche zu hören. Schließlich ertönte eine Stimme, die aus der Wand zu kommen schien, bis wir das kleine Metallgitter um den Rufknopf herum bemerkten.
    »Ja?« Eine Männerstimme, elektronisch verfremdet.
    »Hatterson, Phillip Duane.«
    »Registriernummer.«
    »Fünf, zwei, eins, sechs, acht. Sie haben mich gerade runtergelassen, damit ich zu Anstaltsleiter Swig gehe. Anstaltsleiter Swig hat gerade angerufen und geklärt, dass ich wieder nach oben komme.«
    »Augenblick.« Es vergingen drei Sekunden. »Wo wollen Sie hin?«
    »Nur in den Ersten. Ich habe zwei Herren dabei, die eine Besichtigungstour machen - einen Polizisten und einen Doktor.«
    »Augenblick«, wiederholte die Stimme. Sekunden später glitten die Fahrstuhltüren auf. Hatterson sagte: »Nach Ihnen, meine Herren.«
    Ich folgte seiner Aufforderung, allerdings nicht ohne ein gewisses Unbehagen angesichts der Tatsache, dass ich nicht genau wusste, wem ich da den Rücken zukehrte. Die Wände des Fahrstuhles waren dick mit Schaumstoff gepolstert. Darin eingelassen war ein Sicherheitsschloss. Ein unangenehm süßlicher Geruch von Desinfektionsmitteln entströmte dem Schaumstoff.
    Die Türen schlossen sich. Während wir nach oben fuhren, sagte Hatterson: »Aufwärts zur Sonne, zur Freiheit.« Er stand in der Mitte der Kabine, während ich mich in eine Ecke drückte, ebenso wie Milo.
    Der Fahrstuhl brachte uns zu einem weiteren rosabeigen Flur. Braune Doppeltüren mit Plastikscheiben. Sicherheitsschlösser und eine Gegensprechanlage ähnlich der am Fahrstuhl. Über der Tür ein Schild mit der Aufschrift STATION A. Hatterson drückte einen Knopf, sprach mit jemandem, worauf die Tür sich mit einem Klicken öffnete.
    Auf den ersten Blick wirkte der erste Stock nicht viel anders als eine normale Krankenhausstation - mit dem einen Unterschied, dass das Schwesternzimmer völlig mit Plastikscheiben abgesichert war. Ein Schild besagte: ZUR MEDIKAMENTENAUSGABE HIER ANSTELLEN; DRÄNGELN VERBOTEN. Drinnen saßen drei Frauen in weißen Uniformen und unterhielten sich. Ganz in der Nähe stand eine Krankenliege, die an die Wand geschoben worden war. Braune Flecken auf weißen Bauwolllaken.
    Schwarzes Linoleum und braune Türen, genauso wie im Erdgeschoss. Sehr niedrige Decken - knapp über zwei Meter hoch. Mehrere Gestalten in Khaki lungerten auf dem Flur herum. Die meisten der größeren Männer hielten die Köpfe gesenkt. Einige der Kleineren ebenso. Ein paar Insassen saßen auf weißen Plastikbänken, die am Boden festgenietet waren.
    Andere standen nur da und wiegten sich hin und her, während wiederum andere völlig unbeweglich herumstanden. Die Armlehnen der Stühle waren durchbohrt. Löcher von zweieinhalb Zentimetern Durchmesser. Für Handschellen.
    Ich versuchte mich unauffällig umzuschauen.
    Männer mit weißer, schwarzer, brauner und gelber Hautfarbe.
    Junge Männer mit blonden Surfermähnen und einer Haltung, aus der deutlich das Testosteron sprach. Mit Milchgesichtern, auf denen Akne spross, und Augenhöhlen, die schon Jahrhunderte hinter sich zu haben schienen. Alte Männer mit zahnlosen, verhärmten Gesichtern und hyperaktiven Zungen. Katatoniker mit dauergähnenden Mündern. Zerlumpte, stammelnde Gestalten, die kaum anders aussahen als die Schnorrer an der Westside. Dann einige Männer, die wie Hatterson einen relativ normalen Eindruck machten.
    Jeder Einzelne von ihnen hatte Menschenleben zerstört.
    Wir gingen an ihnen vorbei, und sie warfen uns eine geballte Ladung starrender Blicke zu wie einen psychotischen Fehdehandschuh. Hatterson achtete gar nicht darauf, sondern bahnte uns tänzelnd den Weg.
    Einer der Jüngeren setzte ein schiefes Grinsen auf und machte einen Schritt vorwärts. Haare und Bart sprossen nur an vereinzelten Stellen, dafür hatte er Hakenkreuztätowierungen an den Unterarmen und weiße, wulstige Narben an beiden Handgelenken. Er wiegte sich hin und her und lächelte, während er irgendeine tonlose Musik sang, um dann weiterzutrotten. Ein Latino, dem ein Zopf bis unter den Gürtel hing, trank aus einem Pappbecher und fing an zu husten, als wir näher kamen. Eine rosa-weiße Flüssigkeit spritzte herum. Jemand ließ einen fahren. Jemand lachte. Hatterson beschleunigte sein Tempo ein wenig. Vorbei an einer Unzahl brauner Türen, die lediglich mit Nummern markiert waren. Die meisten versehen mit kleinen verriegelten Rechtecken.

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