Monster
gearbeitet, die von ihr geleitet wurde. Wir hatten Kontakt miteinander über eine Reihe von anderen Patienten.« Die blauen Augen blinzelten. Ihre Stimme klang nun weniger energisch. Allmählich wirkte sie wieder so alt oder jung, wie sie wirklich war.
Milo sagte’: »Wenn Sie mal etwas Zeit hätten, würde ich gerne -«
Hinter uns waren mit einem Mal Schreie und das Geräusch von Schlägen zu hören. Ich riss den Kopf herum.
Die beiden Männer mit Dreadlocks lagen ineinander verkeilt auf dem Boden, rollten herum, bissen sich und droschen aufeinander ein. Das Ganze allerdings ganz langsam, wie in Zeitlupe und ohne einen Laut. Wie Pitbulls.
Die anderen Männer fingen an zu johlen. Der alte Herr mit dem Christian Science Monitor schlug sich auf das Knie und lachte. Lediglich Phil Hatterson schien Angst zu haben. Er war ganz bleich und hielt verzweifelt Ausschau nach einem Platz, wo er in Deckung gehen konnte.
Heidi Ott schnappte sich eine Trillerpfeife, die in ihrer Tasehe gesteckt hatte, stieß kräftig hinein und marschierte auf die Kämpfenden zu. Ganz unvermittelt waren zwei männliche Pfleger an ihrer Seite. Es dauerte nur Sekunden, bis die drei den Kampf beendet hatten.
Die Männer mit den Dreadlocks wurden auf die Füße gezerrt. Einer hatte eine blutende Wunde an der Wange. Der andere einen Kratzer am Unterarm. Keiner von ihnen keuchte oder atmete schwer. Die beiden wirkten ganz ruhig, beinahe gelassen.
Der alte Mann mit der Zeitschrift sagte: »Da leck mich doch einer!«
Heidi nahm den Blutenden am Arm und führte ihn zur Stationsambulanz. Ein Knopfdruck, und es öffnete sich ein Schlitz, dem sie Verbandmaterial und antibiotische Salbe entnahm. Während sie den Blutenden damit verarztete, wurden einige der Männer in Khaki lebendig. Sie gingen hin und her, streckten die Arme aus und schauten sich in alle Richtungen um.
Auf dem Flur herrschte eine Aggressivität, die man förmlich mit Händen greifen konnte. Phil Hatterson rückte näher zu Milo heran, doch Milo brachte ihn mit einem scharfen Blick zum Stehen. Seine Hände waren zu Fäusten geballt.
Einer der Pfleger, ein kleiner, stämmiger Filipino, sagte: »Alles klar, Leute, jetzt regen wir uns schön wieder ab. Und zwar sofort.«
Schlagartig kehrte Ruhe ein.
Hatterson atmete laut auf. »Ich hasse es, wenn so’n Blödsinn passiert. Ich verstehe nicht, was das soll.«
Heidi bugsierte den Blutenden um die Stationsambulanz herum und verschwand mit ihm.
Hatterson sagte: »Meine Herren?«, und wir fuhren mit unserer Besichtigungstour fort. Mittlerweile hatte er auch wieder Farbe im Gesicht. Für mich war an ihm nichts weiter pathologisch außer seiner schmierigen Servilität - ein Eddie Haskeil unter Geisteskranken - nervend, aber ansonsten durchaus kohärent. Ich wusste, dass manchen Psychotikern durch Medikamente in hohem Maße geholfen werden konnte. War dies hier ein lebendes Beispiel für das segensreiche Wirken der Chemie?
Haskell alias Hatterson sagte: »Das hier ist mein Lieblingszimmer. Der Fernsehraum.«
Wir waren am Ende der Station und standen nun vor einer offenen Doppeltür, hinter der sich ein großer heller Raum erstreckte, der voll gestellt war mit Plastikstühlen. An der Stirnseite des Raumes stand ein Großbildfernseher wie ein Altar.
Hatterson sagte: »Was wir ansehen, wird ganz demokratisch entschieden - jeder, der will, kann seine Stimme abgeben. Die Mehrheit entscheidet. Es geht eigentlich ganz friedlich zu - die Sendungen auszusuchen, meine ich. Ich mag Nachrichten, aber dazu komme ich nur selten. Andererseits mag ich auch Sport, und dafür stimmen sowieso fast alle, insofern ist es ganz in Ordnung. Hier ist unser Briefkasten.«
Er deutete auf einen riesigen Plastikkasten, der an der Wand angebracht war. Abgerundete Ecken und Kanten. Verschlossen mit einer Kette. »Unsere Post ist privat, außer es gibt einen Anlass, die Privatsphäre aufzuheben.«
»Wie beispielsweise was?«, sagte ich.
Die Frage verängstigte ihn. »Wenn jemand ausrastet.«
»Kommt das häufig vor?«
»Nein, nein.« Seine Augenlider flatterten. »Die Does machen ihren Job ganz prima.«
»Dr. Argent auch?«, sagte Milo. »Sicher. Klar doch.«
Hattersons Hände beschrieben kleine Kreise. Er leckte seine Lippen. Sie färbten sich dunkelrot wie rohe Leber. »Ich war bei ihr zwar nicht in Therapie, aber ich wusste, wer sie war. Eine sehr nette Dame.« Wieder leckte er sich die Lippen. »Ich meine, sie machte den Eindruck, als wäre sie ziemlich klug
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