Monster
gleiche Etikett. Der nächste Karton enthielt eine bunte Mischung, ebenso wie die übrigen.
Chlorpromazin, Thioridazin, Holperidol, Clozapine, Diazepam, Aprazolam, Lithiumcarbonat.
»Alles, was ein Junkieherz begehrt«, sagte Milo. »Uppers, Downers, Alles-Drumund-Dranners.«
Er inspizierte den Boden der Schachtel. »Der Stempel von Starkweather ist immer noch drauf.«
»Unverschnittene pharmazeutische Drogen«, sagte ich. »So was treibt den Preis nach oben.« Dann fiel mir etwas ein.
»Dass ich erst jetzt drauf komme. Der verschwundene Hund, Buddy. Ich hab ihn schon mal gesehen. Deshalb ist er mir auch nicht aus dem Kopf gegangen. An dem Tag, als wir uns mit Heidi im Park getroffen haben. Da kam ein groß gewachsener Mann in Schwarz vorbei mit einem Hund an der Leine. Ein Rottweiler-Mischling. Der Typ ist genau an uns vorbeigelaufen. Heidi ist er auch aufgefallen. Sie hat ihn beobachtet. Der Kerl war ihr Mitbewohner. Der, von dem sie behauptet hat, dass er schläft. Das Ganze war ein Witz. Die beiden haben uns von Anfang an hochgenommen. Na ja, so viel jedenfalls zu meiner Beobachtungsgabe. Nicht, dass es uns im Augenblick viel nützen würde.«
»Hey«, sagte Milo, während er den Bestand des Drogenlagers in seinem Notizblock festhielt. »Ich bin der so genannte Detective von uns beiden, und ich habe den Hund gar nicht bemerkt.«
»Crimmins hat ihn von Mrs. Leiber gestohlen. Sich einfach genommen, was er wollte. Einfach nur, weil er es konnte. Für ihn dreht sich immer alles um Macht.«
Milo hörte auf zu schreiben. »Ich sehe hier aber nichts, das auf einen Hund hindeutet«, sagte er. »Kein Futter oder ‘ne Schüssel oder sonst was. Nirgendwo im ganzen Haus.«
»Haargenau.«
»Heidi«, sagte er und hörte sich plötzlich ziemlich erschöpft an.
»Das wirft natürlich ein ganz neues Licht auf ihre ganze Geschichte«, sagte ich. »Peakes Prophezeiung. Peakes angebliche Prophezeiung.«
Es schien, als würde er den Kugelschreiber in seiner Hand zerdrücken. Er starrte mich an. »Auch nur ein Schwindel.«
»Es muss so sein. Der einzige Beweis, den wir hatten, war Heidis Aussage.«
»>Augen hin, Klappe zu.< >Tschu tschu bäng bäng.<«
»Das Gleiche gilt für das Band«, sagte ich. Ich zeigte ihm den Stapel Walkmen im größeren Schlafzimmer. »Auf dem Band war nichts weiter als Gemurmel. Undeutliches Gemurmel. Das hätte jeder X-beliebige sein können. Aber wir wissen, wer es war.«
»Crimmins.«
»Als Synchronsprecher«, sagte ich. »George Welles Orson. Ich habe ja gesagt, er sieht sich als Allroundgenie - Produzent, Regisseur und Schauspieler.«
Milo stieß eine Salve übler Verwünschungen aus.
»Er hat Ciaire ermordet«, fuhr ich fort. »Und dann Peake zum irren Propheten hochstilisiert, um seiner Story mehr Pfeffer zu verleihen - wer weiß, vielleicht dachte er ja wirklich, er könnte es eines Tages verwenden. Ein Drehbuch schreiben und es nach Hollywood verkaufen. Wir haben die Geschichte ernst genommen - und er hat sich vermutlich beinahe totgelacht, weil er schon wieder die Bullen reingelegt hatte. Wie damals in Florida. Und in Nevada. Und in Treadway. Und weil’s so schön war, hat er, als er die Beatty-Brüder erledigt hat, das Gleiche noch mal abgezogen. Und wieder Heidi benutzt. Und wieder ohne jedes Risiko. Niemand hat Peake in den letzten zwanzig Jahren auch nur ein Wort reden hören - wer sollte da behaupten, das auf dem Band wäre überhaupt nicht seine Stimme? Beim ersten Mal, als wir mit Heidi gesprochen haben, hat sie erwähnt, dass sie ihren Job in Starkweather aufgeben wollte. Indem sie trotzdem blieb, hat sie dir einen Gefallen getan. Und sich selbst den Stempel absoluter Glaubwürdigkeit verliehen - sie handelte ja praktisch im Auftrag der Polizei. Von da an war sie über jeden Zweifel erhaben, und niemand schöpfte bei dem, was sie mit Peake anstellte, auch nur den geringsten Verdacht.«
»Außer Chet vielleicht.«
»>Cherchez la femme<«, sagte ich. »Vielleicht hat Chet etwas bemerkt. Dass mit Heidi etwas nicht stimmte. Vielleicht war es die Art und Weise, wie sie mit Peake umging. Oder er hat gesehen, wie sie Drogen aus dem Stationszimmer geklaut hat. Oder wie Dollard ihr was zugesteckt hat. Aber auch hier gilt: Wer gibt schon was auf das Geplapper von einem Irren? Heidi konnte weiter als Crimmins Verbindungsfrau nach drinnen agieren. Seinetwegen war sie überhaupt da - sie hat in dem Augenblick dort angefangen, als er aufgehört hat. Und sie hatte mehrere Aufgaben:
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