Monster
Kennmarke ragte noch immer aus ihrer Brusttasche. Der Recorder war ein winzig kleiner Sony.
»Gleich kommt’s«, sagte sie und trommelte mit den Fingern auf die stählerne Tischplatte.
Ihre Stimme auf dem Band sagte: »Okay, Ardis, dann vielleicht morgen.«
Dreiunddreißig Sekunden. Schritte.
»Zo, Ardis? Zwo? Zwei was?«
Achtundzwanzig Sekunden.
»Ardis?«
»Zo moch.«
»Zumachen?«
»Zu moch tschu tschu bäng bäng.«
»Zumachen tschu tschu bäng bäng? Was soll das heißen, Ardis?«
Fünfzehn Sekunden.
»Tschu tschu bäng bäng, Ardis? Ist das ein Spiel oder so was?«
Achtzehn Sekunden.
»Ardis? Was ist tschu tschu bäng bäng?«
Dreißig Sekunden. Vierzig. Fünfzig.
»Was soll das heißen, Ardis?«
Dreiundachtzig Sekunden. Klick.
Sie sagte: »An dieser Stelle hat er sich von mir weggedreht und wollte einfach nicht mehr die Augen aufmachen. Ich wartete noch ein bisschen, aber ich wusste, dass ich nichts mehr aus ihm herausbekommen würde.«
»>Tschu tschu bäng bäng<«, sagte Milo.
Sie errötete. »Ich weiß. Es ist ziemlich dämlich. Ich hätte mich nicht so’aufregen sollen. Aber zumindest ist es etwas, oder? Er redet mit mir. Vielleicht macht er ja weiter damit.«
»Wo hatten Sie den Rekorder?«, sagte ich.
»In meiner Tasche.« Sie deutete auf die marineblaue Fotografenweste, die sie über den Stuhl gehängt hatte. »Gestern habe ich es auch schon versucht, aber es ist nichts passiert.«
»»Tschu tschu bäng bäng<«, sagte Milo. »Augen hin, Deckel zu.«
»Ich hab auch schon überlegt, ob da ein Zusammenhang besteht«, sagte Heidi. Mit einem Mal wirkte sie sehr müde. »Vermutlich hab ich nur Ihre Zeit verschwendet. Tut mir Leid.«
»Nein, nein«, sagte Milo. »Ich weiß das sehr zu schätzen. Ich möchte das Band gerne behalten.«
»Klar.« Sie ließ das Gerät aufklappen, nahm die Kassette heraus und gab sie ihm. Dann steckte sie den Rekorder wieder in die Tasche ihrer Weste, griff nach ihrer Handtasche und stand auf.
Milo schüttelte ihr die Hand. »Danke«, sagte er. »Ist mein Ernst. Jede Information hilft uns weiter.«
Sie zuckte mit den Achseln. »Wird wohl so sein … Wollen Sie, dass ich weiterhin das Band mitlaufen lasse?«
»Ich möchte nicht, dass Sie irgendwas tun, das gegen die Vorschriften verstößt.«
»Ich hab noch nie von ‘ner Vorschrift gehört, die besagt, dass man keine Mitschnitte machen darf.«
»Es ist generell illegal, Leute ohne ihr Wissen auf Tonband aufzunehmen. Gefängnisinsassen müssen gewisse Eingriffe in ihre Privatsphäre hinnehmen, aber ob das auch für die Insassen von Starkweather gilt, weiß ich nicht.«
»Okay«, sagte sie. »Dann lass ich es in Zukunft eben bleiben.« Achselzuckend ging sie zur Tür. »Irgendwie seltsam, oder? Dass man die schützen soll. Das ist noch einer der Gründe, warum ich keine Lust habe, dort zu bleiben.«
»Wie bitte?«
»Swig redet andauernd von humaner Behandlung und dass sie ja auch menschliche Wesen sind. Aber ich kann einfach nicht allzu viel Mitgefühl für sie entwickeln, und ich würde lieber mit Menschen arbeiten, die mir etwas bedeuten. - Wenigstens kommen sie nicht da raus. Das ist wohl die Hauptsache.«
»Wo wir gerade davon reden«, sagte Milo. »Einer von ihnen ist rausgekommen.«
Ihre Hände umklammerten den Griff ihrer Tasche so fest, dass die Knöchel weiß wurden. »Davon hab ich noch nie gehört. Wann?«
»Bevor Sie dort angefangen haben.«
»Wer? Wie heißt er?«
»Wendeil Pelley.«
»Nein«, sagte sie. »Nie von gehört - warum, haben Sie ihn im Verdacht, dass er was mit dem Mord an Ciaire zu tun hat?«
»Nein«, sagte Milo. »So weit ist es noch nicht. Ich versuche nur, sämtliche Möglichkeiten abzudecken. Wenn Sie irgendwas über Pelley herausfinden können, wäre das sehr nützlich. Beispielsweise, ob er und Peake miteinander Kontakt hatten.«
»Ich kann’s versuchen … solange ich noch in Starkweather bleibe.«
»Noch zwei Wochen.«
»Ja, aber wenn Ihnen sonst noch was einfällt, das ich tun … wollen Sie etwa sagen, dass Peakes kleine Vorträge mit Pelley zu tun haben? Dass Pelley irgendwie mit Peake in Verbindung steht? Ihm Nachrichten zukommen lässt, und Peake sie für mich nachplappert?«
»Ich wünschte, ich wüsste genug, um überhaupt irgendwelche Theorien aufstellen zu können, Heidi. Im Augenblick gehe ich jedem Anhaltspunkt nach, und sei er auch noch so abwegig-«
»Okay … Ich werde tun, was ich kann.« Ihr Pferdeschwanz wirbelte herum. Sie wirkte
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