Monster
innen wie außen einen überaus gepflegten Eindruck machte. Schon wieder East LA., schon wieder im Country General. Claires altes Büro lag nur ein paar Blocks weiter. Es war mir zuvor gar nicht aufgefallen, aber sie war wieder dort angelangt, wo sie angefangen hatte.
»Der Rest ist mehr oder weniger Gulasch«, sagte Martinez. »Ich persönlich bin sehr erstaunt, dass wir überhaupt so viel haben. Der Zug muss ihn doch mindestens mit achtzig Stundenkilometern erwischt haben, oder?«
Der Raum war kühl, makellos sauber und völlig frei von jeglichem Geruch. Leere Edelstahltische mit fest installierten Wannen, um Flüssigkeiten aufzufangen, Mikrofone, die von oben herabhingen. Eine Wand voller Schubfächer mit Edelstahltüren. Selbst ein Zwölfjähriger hätte alles wieder erkannt; zu viele Fernsehsendungen hatten diesem Ort seinen Schrecken genommen. Allerdings zeigte das Fernsehen selten den Inhalt der Schubfächer. Tote im Fernsehen waren immer unversehrt und sauber - blutleere Attrappen, die in Frieden ruhten.
Seit meinem Klinikum war ich nicht mehr hier unten gewesen, und ich stellte fest, dass ich keinerlei Sehnsucht nach einer Rückkehr empfunden hatte.
»Wie haben Sie ihn identifiziert?«, fragte Milo.
»Er hatte seinen Wohlfahrtsausweis in der Tasche«, sagte Martinez. »An den unteren Extremitäten hingen immer noch Stücke seiner Hose, und die Tasche war noch ganz. Alles, was er bei sich hatte, waren der Ausweis von der Wohlfahrt und zwei Dollar. Das Interessante ist, dass man immer noch den Schnaps riechen konnte. Trotz all der anderen Flüssigkeiten. Ich meine, der Geruch war wirklich stark.« Martinez berührte sein Kruzifix.
»Für wann ist die Autopsie von Beatty angesetzt?«, fragte Milo.
»Schwer zu sagen. Wir hängen mal wieder hinterher. Warum?«
»Kann sein, dass sein Fall mit einem anderen zusammenhängt. Sie sagen also, dass Beatty ziemlich besoffen war?«
»Um so stark zu riechen? Aber klar. Hat sich vermutlich die Hucke voll gesoffen, ist über die Gleise gelaufen und hat sich hingelegt, um ein kleines Schläfchen zu halten, und dann wumm.« Martinez lächelte. »Na, könnte ich nicht als Detective anfangen?«
»Warum wollen Sie sich dem aussetzen«, sagte Milo. »Ihr Job macht garantiert mehr Spaß.«
Martinez lachte kurz. »Die Gleise - da sollte wirklich mal jemand was unternehmen. Da gibt’s keinen Zaun, kein Geländer - nichts. Ich bin in der Gegend aufgewachsen, wir haben immer auf den Gleisen gespielt, aber damals gab’s keinen Zugverkehr. Erinnern Sie sich noch an letzten Monat? Der kleine Junge, den es erwischt hat, als er von der Schule nach Hause gegangen ist? Das war gar nicht weit von der Stelle, an der Beatty überfahren wurde. Dieser Junge jedenfalls, was wir von dem bekommen haben, war völlig unkenntlich. Da sollte jemand einen Zaun aufstellen oder irgendwas … So, sonst noch was?«
»Ich möchte einen Blick auf Beatty werfen.«
Martinez ging wortlos zu einer der stählernen Türen, ließ die Bahre herausgleiten und zog das weiße Laken zurück.
Das Gesicht war erstaunlich unversehrt, wenn man von ein paar Hautabschürfungen auf der linken Wange absah. Grau wie Holzkohle, denn als Lebender war Ellroy Beatty schwarz gewesen. Weiße Bartstoppeln - offenbar hatte er sich vier oder fünf Tage lang nicht rasiert. Dichte graue Haare, ungepflegt. Die Augen standen offen, doch sie waren ausgetrocknet und ohne jeden Glanz, und an den Lippen klebte eine schmutzig rosa Kruste. Der typische leere Blick, den alle toten Gesichter gemeinsam haben. Egal, wie hoch der IQ auch sein mag, wenn die Seele sich verabschiedet hat, sieht man nur noch dämlich aus.
Unterhalb des Halses war nichts. Ein paar Fetzen von Luft- und Speiseröhre sowie etwas sehniges Muskelgewebe ragten noch heraus, ansonsten war der Kopf sauber vom Rumpf getrennt worden. Einen halben Meter weiter unten auf dem Tisch lag ein weiß eingewickeltes Paket, das Martinez unnötigerweise als die »unteren Extremitäten« bezeichnete.
Milo starrte auf den aschfarbenen Klumpen, der früher einmal das Bewusstsein von Ellroy Beatty beherbergt hatte. Völlig reglos, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich fragte mich, wie oft er wohl schon hier unten gewesen war.
Plötzlich ging die Tür auf, und ein Mann kam herein. Er trug Handschuhe, ein Haarnetz, Slippers aus Papier und eine Maske, die ihm um den Hals baumelte. Er war groß, hatte hängende Schultern, ein tiefbraunes Gesicht und einen dichten schwarzen Bart. Er mochte
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