Monster
etwa so alt sein wie Beatty.
Er warf uns einen kurzen Blick zu, las dann die Karteikarte in seiner rechten Hand und ging zu einer der Stahltüren zwei Reihen weiter.
Dann sah er Ellroy Beattys Kopf, und plötzlich stieg ihm die Zornesröte ins Gesicht. »Was zum Teufel geht hier vor?«
Martinez sagte: »Gibt’s irgendein Problem, Dr. Friedman?«
»Das können Sie laut sagen. Wer hat an meiner Leiche rumgeschnippelt?«
»Ihre Leiche?«, sagte Martinez.
»Das habe ich gesagt. Sind Sie taub, Albert?« Dann wandte sich Friedmann an Milo. »Und wer zum Teufel sind Sie?«
»LAPD.«
»Ich dachte, Willis Hooks hätte den Fall.«
»Nein«, sagte Milo. »Hooks gehört zu Central. Das ist ein Fall von Newton, und der zuständige Detective ist Robert Aguilar.«
»Was?«, sagte Friedman und fuchtelte mit der Karte herum. »In den Unterlagen steht Central, Hooks. Wie lange hantieren Sie hier schon rum, Mr. Aguilar?«
Milo sagte: »Mein Name ist Sturgis, Doktor. West L.A.«
Friedman blinzelte. »Was zum Teufel -« Er trat einen Schritt näher an Ellroy Beattys Kopf heran. »Eines kann ich Ihnen sagen, Detective. Hier steckt jemand bis zum Hals im Schlamassel. Diese Leiche hier habe ich auf dem Plan für eine Autopsie, und jemand hat dem Kerl seinen gottverdammten Schädel abgeschnitten! Und weshalb liegt der Typ überhaupt in diesem Fach, wenn er eigentlich dort drüben liegen sollte?« Wieder wedelte er mit der Karte.
»Den hat niemand verlegt, Dr. Friedman«, sagte Martinez. »Der ist gleich hier reingeschoben worden. Und es hat auch niemand an ihm rumgeschnippelt, das hier ist -«
»Was erzählen sie da für eine gequirlte Scheiße, Albert! Kugeln trennen einem doch nicht den Kopf ab! Kugeln können -«
»Das hier ist Beatty«, sagte Martinez. »Der Mann, der von einem -«
»Ich weiß, wer das ist, Albert!« Wieder wedelte er mit der Karte herum. »Beatty, Leroy. Schusswunde im Kopf. Eingeliefert letzte Nacht -«
»Ellroy Beatty«, sagte Martinez.
»Leroy, Albert. Hier steht’s doch.« Er stieß ihm die Karte vor die Nase. »Fall Nummer 971132; Einlieferungszeit drei Uhr sechzehn.«
Martinez rollte das Laken ein Stück hoch, das Beattys Beine bedeckte. Er nahm das Schild, das am Zeh des einen Fußes festgemacht war, und las vor: »Ellroy Beatty, vom Zug überfahren. Todeszeit drei Uhr zweiundvierzig, Fall Nummer 971135.«
Friedman starrte auf den Kopf. Dann auf die Karteikarte in seiner Hand. Dann auf die Nummern an den Türen der Kühlfächer. Er riss eine von ihnen auf.
Dahinter lag eine intakte Leiche. Nackt. Grau.
Genau das gleiche Grau wie bei Ellroy Beatty.
Das gleiche Gesicht.
Wir starrten uns an.
Ich ließ meinen Blick von einer Leiche zur anderen gleiten und entdeckte ein paar kleine Unterschiede: Leroy Beatty hatte etwas weniger Haare auf dem Kopf als Ellroy. Dafür aber einen vollen weißen Bart. Auf seinem Gesicht waren keine Kratzer, lediglich eine sichelförmige Narbe, die sich wulstig am rechten Unterkiefer entlangzog und ihm vermutlich vor längerer Zeit mit einem Messer beigebracht worden war.
Das sauber umrandete schwarze Loch in seiner Stirn wirkte so harmlos, dass man ihm seine tödliche Wirkung nicht zugestehen mochte. Durch die Wucht des Geschosses beim Aufprall war das Gesicht in Mitleidenschaft gezogen worden - der Bereich um die Nase war angeschwollen, die Tränensäcke aufgedunsen. Die Augäpfel blutrot, als hätte Leroy Beatty zu lange ins Höllenfeuer gestarrt.
Friedman schüttelte nun ebenfalls ungläubig den Kopf.
»Zwillinge«, sagte Martinez. »Bruder Ellroy, sag guten Tag zu Bruder Leroy.«
Friedman fuhr ihn an. »Lassen Sie die Witze, Albert. Was zum Teufel ist hier los?«
»Gute Frage«, sagte Milo.
Es dauerte zwei Stunden, um alles zusammenzusetzen. Dr. Friedmann war schon lange vorher gegangen, wobei er irgendetwas gemurmelt hatte, dass es unmöglich sei, mit Leuten zu arbeiten, die vor Inkompetenz strotzten.
Ich saß mit Milo im Besprechungszimmer des Leichenschauhauses. Detective Robert Aguilar vom Revier Newton tauchte als Erster auf. Er war jung, schlank und gut aussehend. Seine schwarzen Haare waren mit einiger Sorgfalt zu einer Tolle zurechtgekämmt. Sein grauer Nadelstreifenanzug passte wie angegossen, und seine Fingernägel waren manikürt. Seine Sprechweise war forsch und locker, allerdings eine Spur zu hastig, sodass der abgeklärte Eindruck, um den er sich offensichtlich bemühte, nicht ganz glaubhaft wirkte. Milo hatte mir erzählt, dass er
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