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Monster (German Edition)

Monster (German Edition)

Titel: Monster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Maack
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gedauert?«, fragt sie.
    »Ich dachte, ihr verarscht mich«, sagt er.
    »Ach so, setz dich.«
    »Hierhin?«
    »Nee, hier zu mir aufs Handtuch.«
    »Okay.«
    »Und jetzt?«
    »Du hast gesagt, ich soll herkommen.«
    »Aber du bist rübergekommen. Was hast du da verbuddelt?«
    »Einen Gameboy.«
    »Warum?«
    »Ich dachte, du verarschst mich.«
    »Du bist witzig.«
    »Okay. Tut mir leid.«
    »Mir ist kalt. Bringst du mich nach Hause?«
    »Was?«
    »Bring mich nach Hause.«
     
    Manchmal, wenn er im Bus sitzt, im Schulbus oder im Bus in die Stadt, stellt er sich vor, dass eine Gruppe Terroristen durch die Hydrauliktüren hineinstürmt. Die Türen zischen auf, Männer mit schwarzen Masken stürmen hinein, sie drängeln durch den Bus bis zu seinem Platz, Männer mit schwarzen Masken und schwarzen Kampfanzügen. Sie richten ihre Waffen auf seinen Kopf. Einer drückt ihm eine eisige Maschinengewehrmündung an die Stirn und sagt: »Du musst eins von den Mädchen im Bus ficken, sonst töten wir dich und alle anderen hier.« Dann müssen sich alle Frauen und Mädchen im Bus nackt ausziehen und auf ihre Sitze stellen, und er geht den Mittelgang hinab und merkt auf einmal, dass er gar keine Angst hat.
     
    Die beiden stehen auf den Treppen vor der Haustür des Mädchens.
    »Wie heißt du?«
    »Benjamin.«
    »Jetzt bist du dran.«
    »Was?«
    »Jetzt musst du fragen, wie ich heiße.«
    »Wie heißt du?«
    »Nina.«
    Jetzt kann er zurückgehen, den Gameboy ausgraben. Aber der feuchte Sand hat ihn längst ruiniert.
     
    Nina macht ihm die Haustür in schlabbrigem Pulli und Jogginghose auf. Brüste, ein sportlicher Bauch.
    »Setz dich noch kurz zu Opa.«
    Ein Rücken, der sich an seinem Ende in zwei Backen teilt, mit einem wunderbaren Loch irgendwo in der Ritze dazwischen, ein drahtig behaarter Schlitz, den er angefasst, in den er schon seinen Zeigefinger und einmal fast sein Ding hineinstecken durfte, alles unter dem ausgeleierten Jerseystoff. Nina und er sind jetzt schon fünf Tage zusammen. Nina lotst ihn zu ihrem Großvater und rennt die Treppe runter in ihr Zimmer.
    »Ich bin gleich fertig.«
    Jetzt zieht sie da unten Pulli und Hose aus, dreht sich nackt vor dem Spiegel, betrachtet ihre Titten, ihren Arsch, steckt sich den Mittelfinger in den Schlitz und riecht daran. Das ist kein Scheiß. Das weiß Benjamin. Sie stellt sich vor, wie er bei ihrem Opa hockt, der schräg in seinem Rollstuhl sitzt und dreimal täglich gewickelt werden muss und beim Gedanken an sie mit einem Steifen kämpft. Das weiß er, weil sie es ihm gesagt hat.
    Dann zieht sie extralangsam die Sachen an, die sie längst rausgesucht hatte. »Ich bin fast fertig«, ruft sie hoch und zieht sich laangsaaam an. Ein hauchdünnes Sommerkleid, das sich straff über ihren ganzen Körper dehnt. Eine Stretchjeans, unter der sich ihre Muschi abzeichnet. Die Jungs auf dem Schulhof sagen Taubstummenhose. Man hört nichts, aber man sieht, wie sich die Lippen bewegen.
    Sie lässt sich Zeit, denkt, dass er sich vorstellt, wie sie unten in ihrem Zimmer ist, nackt und ganz allein. Er glaubt, sie will, dass er zu ihr runterkommt. Aber er ist sich nicht sicher. Er glaubt, sie will nicht, dass er runterkommt, auch wenn es ihr eigentlich total egal ist, aber sie erwartet es, weil er dann dumm dasteht. Er glaubt, sie lässt ihn immer bei ihrem Opa warten, weil sie denkt, dass sie im Kontrast noch schärfer rüberkommt.
    »Als Kolumbus sich das zweite Mal über den Atlantik bis nach Hispaniola vorgekämpft hatte …«, sagt ihr Großvater.
    Seit fast einer Woche sitzt er jeden Tag ein paar endlose Minuten bei ihrem Opa und lässt ihn reden. Der redet ganz von allein, wie ein kaputtes Spielzeug.
    »... hatten die verdammten Indios das ganze Fort mitsamt aller Männer niedergemacht. Das hat er sich natürlich nicht gefallen lassen. Warum auch? Da ist er mit seinen Männern losgezogen. Kolumbus. Fünfzehnhundert Spanier gegen Hunderttausende Wilde. Die hatten damals ja nichts als ... als«, er lässt seinen Mund fischig auf- und zuschnappen. Wieder so ein Satz, der sich in seinem grauen Rachen in Luft verwandelt.
    Ninas Opa leckt sich die Lippen. Er schiebt eine Lupe auf seinem Buch herum. Ninas Opa hat genau dieses eine Buch. Ein großes mit fettig glänzendem Pappeinband. »Kolumbus« steht drauf. Und etwas kleiner »Ein Eroberer in Bildern und Berichten«. Darunter das Porträt eines enttäuscht aussehenden Mannes, einen Zug um die Mundwinkel, als würde er sich auf die Lippe beißen, um

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