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Monster (German Edition)

Monster (German Edition)

Titel: Monster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Maack
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Ritter, die mit Knüppeln und Lanzen auf noch mehr Nackte einschlagen.
    »Ganz kurzer Bericht über die Zerstörung Westindiens«, beginnt er halblaut zu lesen. Das scheint das zu sein, was der Mönch auf dem linken Bild mit der Feder in seiner Hand geschrieben hat.
    »›Ganz kurz‹, das klingt doch gut«, sagt Nina und stellt sich vor den Spiegel, um ihre Haare zu bürsten.
    Er beginnt vorzulesen.
    Dieser Las Casas erklärt dem König von Spanien, wie Kolumbus die Insel Hispaniola erobert hat. Wie nach fünfzig Jahren von den drei Millionen Indianern, die auf Hispaniola gelebt haben, nicht mal mehr zweihundert übrig waren. Die »demütigsten, geduldigsten, friedfertigsten und ruhigsten Menschen«, die »glücklichsten Menschen«, schreibt Las Casas.
    Nina lacht, und die Bürste macht ein Rupfgeräusch in ihren Haaren. »Die geduldigsten, friedfertigsten, ruhigsten, glücklichsten? Na, die hatten bestimmt auch Dreck am Stecken.«
    Er liest: »Die Christen gaben ihnen Ohrfeigen, Faust- und Stockschläge, ja, schließlich haben sie sich an den Oberherren der Ortschaften vergriffen.«
    »Typischer Fall von Inselkoller«, sagt Nina.
    »Und das steigerte sich zu solchen Freveltaten und Dreistigkeiten, dass ein christlicher Hauptmann sogar die Frau des größten Königs, des Herren der ganzen Insel schändete.«
    »Oh«, sagt Nina, »jetzt geht’s los.«
    »Fortan suchten die Indios nach einer Möglichkeit, wie sie die Christen aus ihrem Land vertreiben könnten. Sie griffen zu den Waffen.«
    »Ja, genau, zeigt’s denen. Wehrt euch, Indios, kauft nicht bei Spaniern.« Nina reißt die Bürste kämpferisch in die Luft.
    Er liest: »Sie griffen zu den Waffen, die ziemlich schwach sind, wenig schaden, kaum standhalten und noch weniger zur Verteidigung dienen (daher sind all ihre Kriege kaum mehr als hierzulande Ringelstechen oder gar Kinderspiele).«
    »Oh«, sagt Nina und noch mal: »Oh.«
    »Die Christen mit ihren Pferden, Schwertern und Lanzen verübten Metzeleien und unerhörte Grausamkeiten an ihnen. Sie drangen in die Ortschaften ein; sie verschonten nicht einmal Kinder oder Greise, Schwangere oder Wöchnerinnen.«
    Benjamin stellt sich vor, wie der Mönch oder Priester, wasauchimmer, schreibend und in Tränen über seinem Papier sitzt. Halb weint er, weil er sich an diese ganzen schlimmen Dinge erinnern muss, halb, weil er diese wuchtigen Worte findet. Weil er merkt, dass sein Bericht Eindruck schinden wird.
    Er liest: »Ihnen allen schlitzten sie den Bauch auf und zerstückelten sie, als fielen sie über ein paar Lämmer her, die in ihren Hürden eingesperrt wären.«
    Nina hat jetzt aufgehört, sich die Haare zu bürsten. Sie hat sich mit dem Rücken zu Benjamin auf die Bettkante gesetzt.
    Er liest: »Sie schlossen Wetten ab, wer mit einem einzigen Hieb einen Menschen zweiteilen oder ihm den Kopf mit einem Pikenstoß abtrennen oder ihm auch die Eingeweide aufreißen könne.«
    »Hör auf. Ich möchte das, glaube ich, lieber doch nicht hören«, sagt Ninas Rücken.
    Er liest: »Sie zerrten die neugeborenen Kinder von der Mutterbrust, packten sie an den Beinen und zerschlugen ihnen den Kopf an den Felsen.«
    Er liest: »Andere warfen die Geschöpfe rücklings in den Fluss, wobei sie lachten und spotteten, und wenn das Kind ins Wasser fiel, sagten sie: ›Du zappelst ja noch, bist du verdammt?‹«
    Ninas Rücken sagt: »Jetzt hör halt auf.«
    Er sieht vom Buch hoch und guckt zu Nina. Er schaut ihren schweigenden Rücken an. Seltsam gekrümmt sieht er aus, seltsam verbogen und verletzt, irgendwie unansehnlich. So ein krummer Buckel mit hängenden Schultern.
    Er liest: »Mit dem Schwert durchbohrte Nina weitere kleine Kinder zusammen mit deren Müttern und allen, die ihr vor die Augen kamen.«
    »Spinnst du?«, sagt Ninas Rücken. »Sag mal, spinnst du jetzt.«
    Er liest: »Nina baute große Galgen, die so beschaffen waren, dass die Füße der Opfer beinahe den Boden berührten und Nina jeweils 13 von ihnen henken konnte, und zu Ehren und zur Anbetung unseres Heilands und der zwölf Apostel legte Nina Holz darunter und zündete es an, um sie bei lebendigem Leibe zu verbrennen.«
    Nina versteckt ihr Gesicht in den Händen, greift sich dabei mit ihren Fäusten in die dicken Haare. »Lass den Scheiß«, sagt ihr Rücken. »Bitte lass den Scheiß.«
    Er liest: »Anderen band oder wickelte Nina trockenes Stroh um den ganzen Körper; Nina steckte es an und verbrannte sie so.«
    Er liest: »Wieder anderen ...«
    Nina dreht

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