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Monster (German Edition)

Monster (German Edition)

Titel: Monster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Maack
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Sterne sind wieder Punkte.
    Benjamin steigt in sein Auto und fährt los.
     
    11
    Der Schlüssel passt. Die Haustür lässt sich noch öffnen. Die Wohnung ist immer noch seine Wohnung. Mit einem Klicken gibt der Rahmen die Tür frei. Benjamin wirft die Tasche in seinen Flur. Draußen geht gerade die Sonne auf. Er betritt seine Küche. Benjamin legt die Eule auf den Tisch.
    »So«, sagt er, »da wären wir.«

Okay, bereit? Das ist jetzt einer dieser Witze, die nicht grade zum Totlachen sind, die aber trotzdem jeder kennt und weitererzählt. Einer von denen eben, die einem einfach nicht aus dem Kopf gehen. Diese Sorte. Bereit? Also: Rennt eine Frau über den Bahnsteig. Im Schlepptau ihren Sohn. Der Bahnsteig ist voller Menschen. Und sie schleppt ihren Kleinen durch die Menge, einmal komplett runter, ganz nach hinten, zum hinteren Ende des Bahnsteigs. Der Zug kommt schon, und die Mutter legt noch einen Zahn zu, schleift ihr Kind hinter sich her wie einen kaputten Rollkoffer. Und dann ist da diese andere Frau. Also: Steht da eine andere Frau. Die steht gefährlich nahe an der Bahnsteigkante. Und die Mutter zerrt ihren Kleinen. Und der Junge berührt die Frau. Also nur ganz leicht. Ihre Schuhsohle knirscht auf der Bahnsteigkante, und dann kreischen auch schon die Räder. »Halt«, ruft ein Mann, und das ist bestimmt nicht der Schaffner. Dann ist es still. Und da, wo eben noch die Frau auf den Schienen lag, steht jetzt eine rote und graue S-Bahn. »Sie hat sich einfach vor den Zug geworfen«, sagt der Mann, »ich konnte nichts tun.« Aber das hört der Junge, ach genau, Benjamin heißt der, gar nicht mehr. Die sind schon längst weiter. Nur noch die Sirenen, als er und seine Mutter ins Taxi steigen.
    Und? Hm, okay. Der ist jetzt nicht soo durch die Decke gegangen. Aber warte ab. Wo der herkommt, gibt es noch viel mehr.

Australien
    Ich übe wochenlang für diesen Tag. Ich wiederhole den Trick endlos. Ich wünsche mir zum Geburtstag nichts als einen Tisch im Garten. Einen Tisch im Sommergarten und zwanzig Klappstühle für die Gäste der Vorstellung. Ich bekomme natürlich trotzdem noch andere Sachen. Ich kann mich aber nicht mehr erinnern, was.
     
    Andere Familien haben auch Probleme.
    Andere Familien haben auch Dreck am Stecken.
    Andere Familien haben auch Leichen im Keller.
    Manche Familien haben sogar echt eine Leiche im Keller.
    Das liest man immer wieder.
    Nichts ist unmöglich. In Familien.
    Mit zwei Tiefkühltruhen.
    Eine für die Tiefkühlkost.
    Dagegen, also gegen Familien, die wirklich Tote im Keller aufbewahren, ging es uns noch ganz gut.
     
    Ich komme in den Garten, und alles ist falsch. Es ist alles da. Aber die Sachen stehen völlig falsch. Die Stühle stehen um den Tisch herum, wie ein Stuhlkreis. Ein bescheuerter Babystuhlkreis. In diesem Moment wird mir klar, dass auch genauso gut alles schieflaufen kann, dass man üben und üben kann, dass man etwas perfekt beherrschen kann, und am Ende ruiniert ein Zufall alles. Auf einmal ist alles hin. Ich verstehe das da noch nicht, aber an diesem Geburtstag vor diesem Stuhlkreis wird mir klar, dass so was absolut eine Möglichkeit ist.
     
    Hauke ist weg, als ich fünf bin.
    »Wo ist Hauke?«
    »Der ist nach Australien«, erklärt mir mein Vater.
    Meine Mutter liegt nebenan auf dem Bett und weint.
    »Was ist Australien?«
    »Ein Land, das ganz weit weg ist. Auf der anderen Seite der Welt.«
    Meine Mutter vermisst Hauke schon jetzt.
    »Können wir ihn anrufen?«
    »Nein, da ist es jetzt Nacht.«
    Meine Mutter zieht die schweren Vorhänge im Schlafzimmer zu und schließt die Tür.
    »Können wir ihn nachher anrufen?«
    »Nein, dann ist es auch Nacht.«
    Sie schließt die Tür ab.
    »Und morgen? Können wir morgen anrufen?«
    »Nein, Benjamin, in Australien ist es immer Nacht.«
     
    Ich wünsche mir außerdem eine große, rote Decke. Eine Decke, die vorne bis runter zum Rasen reicht. Damit niemand dem Magier in die Tricks linsen kann. Da sitzen meine Tanten und Onkel, meine Großeltern, die damals noch alle leben. Ich ärgere mich, weil sie sich unterhalten. Ich bin richtig sauer, weil sie nicht zu mir rüberschauen. Ich ärgere mich, weil sie sich unterhalten und Kuchenteller auf ihren Schößen balancieren, anstatt herzugucken, wie ich den großen Trick vorbereite.
    Sie sollten sich nur auf mich konzentrieren. Es ist mein Geburtstag. Sie sollten neugierig sein. Ich bin der Anlass. Was macht denn unser kleiner Junge da? Was bereitet er wohl vor? Ich sollte

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