Monströs (German Edition)
eine Antwort auf deine inzwischen eingegangene E-Mail mit einem Link auf die Berichterstattung über die Kaltenbach Morde. Dann hinterließ ich in Mattfelds Notebook noch eine Mail mit einem Reim, die ich absichtlich nicht abschickte. Danach ging ich noch einmal in den Keller und habe im Anschlussraum dafür gesorgt, dass niemand mehr telefonieren kann. Ich legte mich ins Bett und wartete ab, was geschah. Wie erwartet, haben die E-Mails an dich und der Gongschlag der Standuhr die Ereignisse ins Rollen gebracht. Alles andere weißt du.«
Martin spürte, dass seine Kräfte sich plötzlich, nahezu sprunghaft, dem Ende zu neigten. Es war wie der Akku eines Laptops, der noch eine Stunde Restlaufzeit aufwies, um schon ein paar Minuten später, den Geist aufzugeben. Die Schmerzen waren einfach zu stark. In seinem Kopf pochte es, als ob jemand darin mit einem Hammer auf einen Eisenamboss schlug. Ihm war schwindlig und andauernd verengte sich sein Gesichtsfeld. Lange würde er das nicht mehr aushalten.
Er sah, wie Selma nach links schaute. Ihr Gesicht gab keine Emotionen Preis. Er folgte ihrem Blick und sah die Bahn den Berg hinauf kriechen. Ein paar Sekunden lang verfolgten beide, wie der Zug zweihundert Meter entfernt von ihnen an der Station vorbei fuhr und schließlich an der Endstation hielt. Martin glaubte plötzlich, neben den anderen Menschen, die in den Abteilen saßen oder standen, um die Aussicht nach der anderen Seite zu genießen, seinen Vater und ... nein, das konnte nicht sein, Paul darin zu sehen. Dann war das Sichtfeld wieder versperrt.
Es mussten die Schmerzen sein. Sie hatten ihm ein Trugbild in sein Gehirn projiziert wie eine Fata Morgana in der Wüste. Mein Gott, dachte er im nächsten Augenblick. Wenn Selma ihn töten will, dann muss sie es jetzt tun, jetzt, wo die Leute kommen. Er zwang sich, gelassen zu bleiben, und weiter Fragen zu stellen, als ob nichts geschehen wäre.
»Warum hast du mir das alles erzählt, wenn du mich doch gleich umbringen wirst?« Seine Worte kamen langsam und abgehackt. Er war kaum noch in der Lage mit seiner Zunge die Worte zu formen.
Sie schaute auf die Uhr an ihrem Handgelenk und zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen.
»Die Bahn ist spät dran. Wahrscheinlich hat die Lawine dafür gesorgt, dass ein Streckenabschnitt verschüttet wurde. Das erklärt aber nicht, warum der Helikopter vorhin beim Hotel gelandet ist«, sagte Selma mehr zu sich selbst.
Sie ging zurück auf die Plattform der Seilbahnstation und schaute vorsichtig hinauf zum Hotel. Es stand friedlich inmitten der Berge und es gab nicht das geringste Anzeichen dafür, dass hinter diesen Mauern in der vergangenen Nacht so grauenvolle Dinge geschehen waren. Die Menschen stiegen gerade aus dem Zug und von oben sah sie einen einzelnen Mann wie einen schwarzen Strich im weißen Schnee, auf die Menge zu rennen.
Der Wind war fast vollständig abgeklungen. Die wenigen weißen Wolken am Himmel zogen träge voran und würden bald ganz verschwunden sein. Ein herrlicher Tag, um einen unversperrten Blick auf das Matterhorn zu erhaschen.
Sie wandte sich um und ging zurück zu Martin.
»Der Helikopter eben hat tatsächlich jemanden oben abgesetzt. Derjenige ist fündig geworden und teilt es gerade den Neuankömmlingen mit. Den Teil habe ich übrigens nicht im Voraus geplant. Aber es schadet auch nichts mehr«, sagte sie.
Sie beugte sich über Eddie Kaltenbach und nahm ihm das Telefonkabel ab, das er noch um seine Hände gewickelt hatte. Nachher, wenn sie Martin damit erdrosselt hatte, würde sie es wieder um Eddies Hände schlingen, damit es so aussah, als hätte dieser es getan.
Martin war sein Leben inzwischen egal. Aber was war mit Paul? War er vielleicht eben doch in der Bahn gewesen und stand jetzt da oben und suchte nach seinem Vater. Der Gedanke war unerträglicher, als die Schmerzen und gab ihm doch auf wundersame Weise Kraft. Wie sollte Paul ohne Eltern klarkommen? Er startete einen letzten verzweifelten Versuch.
Er dachte merkwürdigerweise an die Rocky-Filme. Dies war die letzte Runde und wie in den Filmen, gab es kein Unentschieden. Leider war seine Gegnerin noch nicht einmal angeschlagen, während er bereits vollends in den Seilen hing. Es gab nur noch eine Hoffnung, und die war fast so klein wie die Wahrscheinlichkeit, im Lotto zu gewinnen.
Ein Lucky Punch in der letzten Runde. Doch er hatte keine Ahnung, wie er das bewerkstelligen sollte. Dann fiel ihm etwas ein.
»Du sagst, meine Frau, Anna war
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