Monströs (German Edition)
den Eigentümer, Ferdinand Kalbermatten, nach dem Motorradfahrer zu suchen. Gleichzeitig meldete ihm dieser, dass weiter oberhalb die Gleise vom Schnee, vermutlich aufgrund einer Lawine, verschüttet worden waren. Burger bedankte sich für die Auskunft und informierte die dafür zuständige Räummannschaft bei der Rettungswacht. Dann erhob er sich von seinem Stuhl und zog sich einem Reflex folgend, die über seinen Schmerbauch nach unten gerutschte Hose wieder hoch.
Er ging aus seinem Büro in die davor liegende Amtsstube und schickte einen Beamten zur Rettungswacht. Was konnte es schaden, wenn der Helikopter mit der Räummannschaft schon ausrücken musste, einen Beamten im Hotel abzusetzen, und nach dem Rechten sehen zu lassen. Erst, wenn der Sturm nachgelassen hatte, das verstand sich von selbst.
Eine Dreiviertelstunde später kam der Anruf von der Matteralp, dass sie den Mann und den Jungen gefunden hatten. Burger schaute aus dem Fenster. Hier unten ging kaum noch der Wind. Er machte sich bei den Wetterstationen oben auf dem Berg schlau. Der Sturm war so gut wie vorüber. Der Helikopter startete kurz darauf. Burger seufzte und sah auf die Aktenstapel auf seinem Schreibtisch. Eigentlich hätte er sich um den aufgelaufenen Papierkram kümmern müssen. Er ging zu Karl Waller hinüber in das Wartezimmer, der ihn mit erwartungsvollem Blick ansah und aufstand, als Burger das Zimmer betrat.
»Kommen Sie mit. Ich fahre jetzt mit Ihnen mit der Bahn nach oben. Wir holen ihren Enkel und ihren risikofreudigen Nachbarn auf der Matteralp ab und fahren dann gemeinsam zum Hotel hinauf. Diesen Ram, so nennen sie ihn doch, will ich mir mal genauer ansehen.«
64
Der Helikopter hob, nachdem der Polizeibeamte ausgestiegen war, vom Vorplatz des Hotels Himmelwärts wieder ab und donnerte Richtung Tal über die Shuttlekabine hinweg. Wer auch immer in dem Helikopter saß, konnte nicht ahnen, dass Martin in dem Shuttle, um sein Leben kämpfte und das nur mit Worten bewaffnet.
»Der Helikopter hat wahrscheinlich nur jemanden oben abgesetzt. Niemand weiß, wo wir sind. Wir können also noch reden«, sagte er.
Selma wiegte den Kopf hin und her, als ob sie überlegen müsste. Martin ließ ihr keine Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Er deckte sie mit einer weiteren Frage ein, wenn sie darauf einging, war er wieder im Spiel.
»Wie hast du das gemacht, wie ging das im Hotel vonstatten. Du warst doch die ganze Zeit bei mir?«
Martin bemühte sich, nicht zu zeigen, wie schlecht es ihm ging. Aber er spürte, dass bald der Zusammenbruch kommen musste. Seine Stimme klang jetzt schon wie ein Reibeisen. Er hätte dringend etwas zu trinken gebraucht.
Selma sah ihn noch einmal an. Dann traf sie ihre Entscheidung. Sie redete weiter mit ihm.
»Ich habe dich nach dem Abendessen zu deinem Zimmer begleitet. Danach bin ich wieder zu den anderen in die Bar gegangen. Nach einer Stunde löste sich die Gesellschaft auf und alle gingen schlafen. Ich habe eine weitere Stunde gewartet. Ich ging in das Zimmer, in das ihr Eddie gelegt hattet. Er war, wie zu erwarten, noch immer bewusstlos. Ich legte ihm den Zettel mit dem Vers hin, den er dir eben vorgelesen hat und schmierte mit roter Farbe deinen Namen an den Badezimmerspiegel.«
»Warum dieses Spiel mit den Versen und den Namen?«
»Du sagst es. Es war ein Spiel. Dazu gehörten Hinweise, denen ihr gefolgt seid, wie Mäuse dem Geruch von Käse. Die Reime brachten nach und nach Licht ins Dunkel und die mit Blut an die Wände geschriebenen Namen standen in einem Zusammenhang. Sie standen auf meiner Liste. Am schönsten war, dass du wieder mit Annas Tod konfrontiert warst. Du hast Hoffnung geschöpft, sie könne noch leben. Es war wunderbar. Ich habe es genossen.«
Selma redete sich in einen regelrechten Rausch. Martin glaubte mehr und mehr, dass sie nicht mehr bei Verstand war. Sie hatte selbst gesagt, sie sei in psychologischer Behandlung gewesen. Doch andererseits hatte sie einen extrem ausgeklügelten Plan in die Tat umgesetzt. Es war schrecklich und beeindruckend genial zu gleich.
»Dann habe ich dich in deinem Zimmer besucht«, sagte sie zu Martin. »Du hast unruhig geschlafen und ich hatte schon die Befürchtung, dass du aufwachen würdest. Doch ich hatte Glück. Ich nahm es als weiteres Zeichen, dass Gott wollte, was ich tat. Ich habe dir den Schlüssel für den Fahrstuhl abgenommen und die Packung mit den Schlaftabletten. Dann ging ich zur Chefin, Rita Mattfeld.«
Ein hämisches Grinsen
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