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Monströse Welten 1: Gras

Monströse Welten 1: Gras

Titel: Monströse Welten 1: Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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violettem Gras, das den Boden wie ein weicher Pelz überzog.
    Durch diesen Boden zog sich ein Grabensystem, das man über eine Treppe aus Ebenholz-Gras erreichte. Die dicken Bündel waren oben abgeflacht, und die unter ihrem Gewicht aneinanderschabenden Halme gaben ein Geräusch von sich, das wie ein Verweis klang.
    ›Zieht die Schuhe aus‹, schienen sie zu sagen. ›Das ist geheiligter Boden. Zeigt Respekt.‹
    Es war, als ob die Besucher diese Worte gehört hätten. Sofort bückte Tony sich und zog die Schuhe aus. Als er spürte, wie die Treppe sich unter ihm durchbog, überzog Schamröte sein Gesicht. Vater Sandoval bekreuzigte sich mit einem Ausdruck wachsamer Überraschung und Verärgerung. Vater James streckte die Arme aus, als ob er das Gleichgewicht bewahren wollte. Marjorie wirkte verwirrt und nachdenklich. Sie hatten Stimmen gehört!
    Bruder Mainoa schaute sie an und lachte glucksend. »Haben Sie das gehört? Ich habe es auch gehört, und Bruder Lourai ebenfalls. Der Ältere Bruder Fuasoi hört es nicht oder behauptet es zumindest. Sie sind zornig, Vater? Halten Sie das vielleicht für einen Trick? Ich habe diese Grasbündel selbst geschnitten, Vater. Keine Tricks. Ich bin nur in die Prärie hinausgegangen, bis ich geeignetes Gras fand. Dann habe ich es geschnitten, gebündelt und umwickelt. Und seitdem höre ich Stimmen, wenn Leute darübergehen, und Sie hören diese Stimmen auch, aber niemand sonst. Sie sollten einmal darüber nachdenken, Väter, gnädige Frau, junger Herr.«
    Die niedrige Treppe führte auf eine gepflasterte Straße. Wo in der unendlichen Prärie hatten die Erbauer nur Steine gefunden? Aber es war unverkennbar Stein, der im Nieselregen glitzerte und nach all den Jahrhunderten noch immer poliert war. In regelmäßigen Abständen wurde die Straßendecke durch Bordsteine und Lücken unterbrochen.
    »Hier hatten Bäume gestanden«, sagte Bruder Mainoa und zeigte nach oben. Sie schauten in die angegebene Richtung, spürten den Schatten der Äste und hörten das Rauschen des Laubs. Marjories Augen weiteten sich. Da waren doch gar keine Bäume. Nur freie Flächen. Und doch hatte sie sie gesehen, hatte das Rascheln der Blätter gehört…
    »Welche?« fragte sie. »Welche Bäume?«
    Der junge, dürre Bruder antwortete, begierig, das von Mainoa erworbene Wissen anzuwenden. »Bäume, die es nur im Sumpfwald gibt, gnädige Frau. Ein Teil des Holzes war noch da, als die Stadt ausgegraben wurde. Es war konserviert. Man hat die Überreste untersucht und ist zu dem Schluß gekommen, daß es keiner von den Bäumen war, die hier draußen wachsen. Man glaubt, es war ein Obstbaum.«
    Die schmale Straße wurde von reliefgeschmückten Fassaden mit Holztüren gesäumt, wobei Bruder Mainoa sie darauf hinwies, daß die Schnitzereien an den Türen Szenen aus dem religiösen Leben der Arbai darstellten.
    »Religiös?« fragte Vater Sandoval. Er war so taktvoll, um keinen Spott zu zeigen, aber seine Zweifel waren dennoch unverkennbar.
    Bruder Mainoa zuckte die Achseln. Die Szenen waren mysteriös, wahrscheinlich mystisch. Welchen Zweck erfüllten diese Schnitzereien? Das würde man wohl nie erfahren. Was hatten diese Figuren, die sich kleine Kisten oder Würfel reichten, und diese Prozession zu bedeuten? Was bedeuteten diese knienden Wesen, die mit anscheinend ehrfürchtigem Blick einen Graspeeper betrachteten? Der unbekannte Künstler hatte dem Peeper einen fast sphärischen Körper verliehen und ihn mit zwei Hunden flankiert, deren Köpfe nach oben gerichtet waren. Das ganze Kunstwerk wurde von Ranken und Blättern eingerahmt. In Bruder Mainoas Augen wiesen die Schnitzereien einen religiösen Bezug auf. Er lächelte Vater Sandoval an, wobei er ihm gleichzeitig zu verstehen gab, sich bloß eines Widerspruchs zu enthalten.
    Vater Sandoval erwiderte das Lächeln und behielt seine Meinung für sich. Vater James schaute nur betreten in die Runde.
    An einer anderen Tür hatten zwei Hippae sich das Hinterteil zugewandt und kickten sich Erdbrocken zu. Oder vielleicht nahmen sie auch die merkwürdige Struktur dazwischen aufs Korn. Aber war es überhaupt eine Skulptur? Oder vielmehr eine Maschine? Die Arbai standen daneben und schauten mit feierlichem Gesichtsausdruck zu. Was hatte das zu bedeuten? Es war indes möglich, daß Details zerstört wurden, als die Türen zerfielen.
    Denn zerfallen waren sie. Zersplittert. Die Reste der nach innen gedrückten Türen hingen noch an den Angeln. Im Innern der freigelegten,

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