Monströse Welten 1: Gras
Mainoa folgte dieser breiten Spur; plötzlich zügelte er Blue Star und wies nach links. Deutlich zeichnete sich eine schmale Spur im Gras ab. Vater James hob einen abgerissenen Grashalm auf und gab ihn Marjorie. Er war noch feucht.
»Aha«, sagte sie. »Aha.«
»Wenn sie sich in der Gewalt eines Hippae befindet«, fragte Tony, wobei er sich betont sachlich gab, »wie sollen wir sie dann befreien?«
»Wir verstecken uns«, sagte sie. »Wir warten ab, bis es sie allein läßt. Und dann holen wir sie uns.«
»Ich wünschte, wir hätten Waffen«, sagte Vater James.
»Ich auch«, sagte sie. »Aber wir haben keine.«
Fast unmerklich schüttelte er den Kopf. »Hoffen wir, daß wir es nur mit einer Bestie zu tun haben.«
Wutschnaubend verbrachte Rigo den Morgen und wartete, daß Sebastian den Gleiter wieder zusammenbaute; dieser Vorgang gestaltete sich langsamer, als die Prognose gelautet hatte. Die neuen Teile waren zwar richtig numeriert, hatten aber eine schlechte Paßform. Sebastian brachte sie in seine Werkstatt im Dorf, um sie nachzubearbeiten.
Am Nachmittag war der erste Gleiter fertig und erprobt. Mit Sebastian am Volant und Persun zur besonderen Verwendung, brach Rigo nach Klive auf. Der Flug dauerte knapp über eine Stunde und führte sie über die Südspitze des Sumpfwalds hinweg, wobei die verstreuten Gebäude von Commons zu ihrer Linken lagen. Sie landeten auf dem Kiesbett vor der Ersten Fläche und überquerten sie auf dem Weg zur Terrasse.
»Eure Exzellenz«, ertönte plötzlich ein Stimmchen von der Balustrade. »Eure Exzellenz!«
Rigo wandte sich um und sah, daß eine der Damfels-Töchter ihm zuwinkte. Ungeduldig ging er auf sie zu; er wollte wissen, ob Marjorie noch auf Klive war.
»Sie sind schon fort«, sagte das Mädchen. »Roderigo Yrarier, Ihre Frau, Ihr Sohn und die Grünen Brüder sind fortgegangen.«
»Und wohin?« platzte er heraus.
Sie schüttelte den Kopf, und plötzlich liefen ihr Tränen über die Wangen. »Sie dürfen nicht nach oben gehen. Vater, der Obermun, ist sehr wütend. Er wird Sie töten. Er hat Emmy schon fast umgebracht. Ihre Frau ist zu uns gekommen und hat sich erkundigt, wo Ihre Tochter verschwunden sei. Sylvan hat es ihr gesagt. Er hat es von Shevlok erfahren und es dann Ihrer Frau gesagt. Sylvan ist mit ihnen gegangen. Seitdem schreit Vater nur noch herum. Als Emmy ihn beruhigen wollte, hat er sie geschlagen…«
Ein Brüllen drang aus dem Haus, worauf das Mädchen am Haus entlang davonrannte. Rigo blieb stehen und stellte den Fuß auf die unterste Stufe. Dann wurde er weggezogen. Sebastian und Persun packten ihn jeweils an einem Arm, und sie schienen entschlossen, ihn von Klive zu entfernen, wenn es sein mußte mit Gewalt.
»Gehen Sie nicht dort hinauf, Sir. Mit ihm kann man nicht vernünftig reden. Er tobt wie ein Stier.«
»Pollut hat recht, Sir. Er wird Ihnen nicht helfen, nicht in diesem Zustand. Sie müssen abwarten. Warten Sie, bis er sich beruhigt hat. Warten Sie, bis Sie mit jemand anderem sprechen können.«
»Auf der Jagd«, empfahl Sebastian. »Morgen. Auf der Jagd der bon Laupmons.« Sie zerrten Rigo fort; er sträubte sich zwar, protestierte aber nicht, als ob er wüßte, daß sie recht hatten, auch wenn sein Körper sich gegen diese Erkenntnis wehrte.
Die Pferde folgten der Spur in Einerreihe, wobei die Reiter anfangs angespannt auf jedes Geräusch achteten, mit der Zeit jedoch abschlafften und unaufmerksam wurden. Mainoa und Lourai litten an Schmerzen in den Gelenken und im Hinterteil. Marjorie dachte an Rigo und Sylvan an Marjorie. Vater James betete, daß er nicht falsch gehandelt hatte, und Tony dachte an ein Mädchen, das er sehr lange nicht mehr gesehen hatte. Die Art, wie die Grashalme ihre Körper peitschten, wirkte hypnotisierend. Selbst Marjorie, die sonst ein Gespür für die subtilsten Regungen der Pferde hatte, bemerkte nicht, daß die Tiere sich nun genauso verhielten wie Don Quixote, als sie von der Hippae-Kaverne zurückgeritten war. Sie hatten die Ohren gespitzt und erweckten den Anschein, daß sie sich auf dem Heimweg befanden. Als ob jemand zu ihnen sprechen würde. Mit der Sonne im Rücken, ritten sie schweigend weiter; die einzigen Geräusche wurden von den Hufen der Pferde verursacht.
Die Sonne stieg zum Zenit empor und sank dann wieder. Nun schien sie ihnen ins Gesicht. Sie hatten ein paar Pausen eingelegt, um etwas zu trinken und sich zu erleichtern, aber die Spur, die sich vor ihnen dahinschlängelte, war
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