Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monströse Welten 2: Hobbs Land

Monströse Welten 2: Hobbs Land

Titel: Monströse Welten 2: Hobbs Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
Vom Netzwerk:
beschreiben, aber die Landschaft von Hobbs Land war nicht annähernd so grandios, als daß sie ein Äquivalent seiner Gefühlslage dargestellt hätte.
    »Sam, sie ist doch noch ein Kind!« hatte Mam gesagt, was jedoch weniger durch diesen Umstand an sich bedingt war, sondern vielmehr dadurch, daß sie befürchtete, der Altersunterschied würde Sam kompromittieren. Sam war nämlich zweiundzwanzig und China Wilm erst zwölf.
    Das wußte er selbst! Aber Sam war bereit, auf sie zu warten! Sam kannte sie schon, seit sie ein kleines Kind war; er wollte sie haben! Er hatte durchaus nicht die Absicht, sich als Kinderschänder zu betätigen, aber sie gehörten zusammen; so hatte er entschieden, auch wenn sie es vielleicht noch nicht wußte. Schon mit zweiundzwanzig war er ein glühender Verehrer, bei dem die Liebe sich sowohl in seelischer als auch in körperlicher Hinsicht manifestierte. Also küßte er sie züchtig, wobei er hoffte, daß der Kuß gerade richtig dosiert war, um sie auf den Geschmack zu bringen, und ließ sie – für eine Weile – in Ruhe, während er sich sagte, daß es diese fehlenden Legenden sein mußten, die ihn frustrierten. Sie hätten ihm all die Analogien und Beispiele geliefert, die er brauchte. Dad hätte ihn sicher aufgeklärt, wenn er die Möglichkeit gehabt hätte, mit ihm zu sprechen.
    Leichtsinnigerweise sagte er das Maire Girat. Er hatte den Satz kaum beendet, als ihm schon bewußt wurde, daß er besser geschwiegen hätte. Sie wandte sich ab, und dann merkte er, daß sie weinte. Er fühlte sich unbehaglich und versuchte, die Dinge wieder ins Lot zu bringen.
    »Es war nicht alles schlecht auf Voorstod! Du warst dort eine wichtige Person, Mam. Die Leute fragten mich immer, ob ich stolz auf dich wäre; also mußt du bekannt gewesen sein.«
    »Einige kannten mich«, sagte sie und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Einige wenige.«
    »Weil du gesungen hast«, fuhr er fort, im Bemühen, die Unterhaltung aufrechtzuerhalten. Dabei fragte er sich – zum ersten Mal –, weshalb sie heute nicht mehr sang.
    »Ja. Das war wohl der Grund«, sagte sie abschätzig und mit schmalen Lippen.
    »Hast du über die Liebe gesungen, Mam?«
    Überrascht stieß sie ein heiseres Lachen aus. »Liebe, Sammy? O ja, ich habe über die Liebe gesungen. Aus Liebe. Für die Liebe.«
    »Gab es in Voorstod Legenden über die Liebe?«
    Sie zog einen Mundwinkel herab. »Die Propheten von Voorstod sagten, daß es sich bei dem, was die Männer als Liebe bezeichnen, nur um Begierde handelt, die unter allen Umständen zu zügeln sei. Außerdem sagten sie, daß wir Frauen diese unheilige Lust provozierten und uns deshalb verhüllen und zurückziehen müßten. Die Männer wären zu wertvoll, um sie solchen Versuchungen auszusetzen. Unsere Gefühle spielten überhaupt keine Rolle. Sie durften ihr Gesicht zeigen, aber wir mußten es verhüllen. Solche Lehren lassen kaum Raum für Liebeslieder.«
    Aus seinem Gesichtsausdruck schloß sie, daß sie ihn mißverstanden hatte.
    »Worum geht es denn, Sammy?« hatte sie ihn gefragt.
    »Ich muß es wissen«, sagte er und fing an zu weinen. »Ich muß wissen… woher wir kommen.« Fast hätte er gesagt: ›Wer ich bin‹, hatte es aber gerade noch rechtzeitig unterdrückt. Damals war er schon zweiundzwanzig, und ein Zweiundzwanzigjähriger mußte eigentlich wissen, wer er war. Und doch wußte er es nicht. Er hatte versucht, sich mit verschiedenen Masken zu tarnen, aber keine hatte ihm richtig gepaßt. Und Maire besaß nicht genug Einfühlungsvermögen, um es ihm zu sagen. »Woher wir kommen«, wiederholte er, wobei er sich einredete, daß er das wirklich meinte.
    Also hatte Maire ihm von ihrem Leben in Voorstod erzählt, vom Volk der kleinen, dunkelhäutigen Gharmish, die in Voorstod als Sklaven gehalten wurden, von der Hochzeit mit seinem Dad und weshalb sie ihn verlassen hatte. Bevor sie noch richtig in Fahrt kam, hatte er wieder diesen typischen Gesichtsausdruck aufgesetzt und die Ohren ›auf Durchzug‹ gestellt. Das war es nicht, was er hören wollte. Ihre Worte waren wie Wassertropfen auf einem Blatt an ihm abgeglitten. Sie hatte von den Gharm Fess und Bitty erzählt, mit denen sie in ihrer Kindheit befreundet gewesen war, aber das waren nicht die Erinnerungen gewesen, die er hören wollte. Schließlich hatte er die Gharm nie gesehen, oder? Er hatte die flüchtigen Erinnerungen an die Hände vor den Augen abgeschüttelt und sich gesagt, daß ihre Worte dem Voorstod seines Herzens

Weitere Kostenlose Bücher