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Monströse Welten 2: Hobbs Land

Monströse Welten 2: Hobbs Land

Titel: Monströse Welten 2: Hobbs Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Sagen über Mythen, Märchen und Dramen bis hin zu Trivialliteratur aller Sujets umfaßte. Schon bald hatte Sam den Überblick verloren. Er wäre nie auf die Idee gekommen, in den Archiven nach den Legenden zu suchen, nach denen er sich sehnte, aber hier waren sie komplett vorhanden.
    Für eine Weile vergrub er sich in den Archiven und tauchte in die Welt der Legenden ein. Die Begriffe ›Heimat‹ und ›Vater‹ erschienen zuhauf, es war die Rede von Göttern, Heroen und Königen. So sollte ein Vater auch sein, sagte Sam sich: ein Gott, ein Held, ein König!
    Eine Legende stach ihm besonders ins Auge; sie erinnerte ihn an seine eigene Biographie. Ein König hatte eine Reise unternommen und unterwegs mit einer Frau ein Kind gezeugt. Genauer gesagt mit einem Edelfräulein, denn Helden ließen sich nicht mit jeder Schlampe ein. Dann mußte der König die Reise fortsetzen. Er konnte die Mission ja nicht wegen ihr oder dem Kind abbrechen; also vergrub er ein Schwert und ein Paar Schuhe unter einem schweren Stein und sagte der Mutter, wenn der Junge stark genug war, den Stein anzuheben, durfte er das Schwert und die Schuhe nehmen und sich auf die Suche nach ihm, seinem Vater, machen. Bald hatte sein Sohn die erforderliche Stärke erreicht, fand das Schwert und die Schuhe und schließlich auch seinen Vater. So erfüllte sich sein Schicksal.
    Schicksal! Dieses Paradigma, das die bloße Existenz transzendierte, leuchtete wie ein entferntes Licht auf einem dunklen Berg! »Wäge es ab.« Er keuchte. »Suche es.« Sam Girat mußte dem Ruf des Schicksals folgen. Er wußte es, als ob ein Orakel es ihm ins Ohr geflüstert hätte. Das war seine Geschichte. Plötzlich traf ihn der Blitz der Erkenntnis, und ihm wurde bewußt, daß Phaed Girat nie vorgehabt hatte, ihn im Stich zu lassen. Unter irgendeinem Stein war ein Geheimnis verborgen, das ihm die Rückkehr nach Hause, zu seinem Vater ermöglichen würde.
    Zumal Sam ein freier Mann war und jederzeit nach Voorstod hätte gehen können. Die Siedler waren keine Leibeigenen, sondern durften nach Belieben kommen und gehen. Für Sam hatte das Wort ›Heimkehr‹ jedoch eine Bedeutung, die den rein inhaltlichen Aspekt transzendierte. Für ihn war die Botschaft des Märchens klar und eindeutig; er zweifelte keinen Augenblick lang daran. Die fehlende Logik machte die Sache indes nur plausibler und spannender. Natürlich war es unlogisch. Natürlich war es seltsam. Legenden waren eben seltsam, und das Schicksal mochte durchaus unlogisch sein. Sam wußte nichts von der Maxime credo quia absurdum est, die einige Hohe Gelehrte zuweilen noch zitierten, aber er hätte den Sinn binnen einer Minute verstanden.
    Obwohl diese Geschichte die beste war, gelangte Sam bald zu der Ansicht, daß alle Geschichten im Grunde eine Geschichte waren. Alle Legenden waren eine Legende. Am Ursprung jeder Legende stand jemand mit einem Bedürfnis oder einer Frage, der sich dann aufmachte, die Antwort zu suchen und unterwegs allen möglichen Gefahren ins Auge sah und jede Menge Spaß hatte. Alle Helden suchten nach einer wundervollen Sache: nach ihrem Vater, der Unsterblichkeit, Güte, Erkenntnis oder nach einer Kombination aus diesen Dingen, und es war ihr Schicksal, daß sie fanden, was sie suchten. Es waren fast nur die Männer, die sich auf die Suche begaben, nicht die Frauen, und auch das gab Sam zu denken. Es bestätigte ihn in seinem bisherigen Urteil über Maire und China, daß es nämlich keinen Zweck hatte, Frauen irgendwelche Fragen zu stellen, weil sie sowieso nicht an den Antworten interessiert waren. Frauen hatten einfach kein Verständnis für diese Dinge!
    Im folgenden unternahm er oft lange Märsche in den Norden, ins Felsenland, wobei er am Wegesrand liegende Felsbrocken umkippte, um nachzusehen, ob sein Vater das Schwert, die Schuhe oder einen sonstigen Gegenstand darunter versteckt hatte. Auch nachdem ihm bewußt geworden war, daß sowohl ›Stein‹ als auch ›Schwert‹ eher symbolische als reale Begriffe waren, hielt er an dieser Praxis fest. Er tat es, obwohl er wußte, daß Phaed Girat nie einen Fuß auf Hobbs Land gesetzt hatte. In seiner Phantasie hatte Phaed jemanden ausgesandt, einen wundersamen Boten, der zwischen den Welten umherflog. Und wer hätte das widerlegen wollen? Die Macht des Vaters, des Helden, des Königs manifestierte sich nämlich in einer Fähigkeit: das Unmögliche möglich zu machen.
    * * *
    Jeopardy Wilm hatte eine Cousine, Samstag, die Tochter der Schwester seiner

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