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Monströse Welten 2: Hobbs Land

Monströse Welten 2: Hobbs Land

Titel: Monströse Welten 2: Hobbs Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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erklommen hatte, sah sie einige Laternen und die zuckenden Schatten, die von um ein kleines Feuer tanzenden Gestalten geworfen wurden.
    Die Kinder hatten sich um eine Erdaufschüttung versammelt, bei der es sich, wie Zilia annahm, um das Grab handelte. Samstag begrüßte sie und bot ihr eine Decke an, weil Zilia selbst keine mitgebracht hatte. Dann stimmten die Kinder den Gesang wieder an, ein aus vielen Strophen bestehendes Lied mit dem Titel ›Singet zu den Göttern‹, das in allen Einzelheiten den Aufstieg zum Hochplateau beschrieb. Dann schloß sich eine Geschichte mit Horgy Endure in der Hauptrolle an, wobei er fremde und exotische Orte wie die ›Insel der Blumen‹ besuchte. Anschließend erfolgten eine stumme Prozession um das Grab und eine Wiederholung derselben Liedsequenz, nur daß sie diesmal leicht variiert wurde. Das Repertoire der Kinder umfaßte sehr viele Lieder, die zwar keinen Inhalt im eigentlichen Sinn, dafür aber kunstvolle Rhythmen hatten; diese Lieder hatten weder Anfang noch Ende, sondern die Kinder sangen so lange, bis sie müde wurden. Manchmal legten sie beim Gesang und den Prozessionen auch einheitliche Masken an, so daß sie nicht mehr voneinander zu unterscheiden waren.
    »Weshalb tut ihr das?« fragte Zilia, irritiert von dieser anonymen Maskerade.
    »Weil wir nicht als Individuen hier sind«, erläuterte Samstag. »Es geht hier nicht um uns, sondern um die Absicht.«
    »Kannst du mir das näher erklären?«
    Samstag runzelte die Stirn, versuchte zu sprechen und runzelte erneut die Stirn. »Weil… weil es keine… Belohnung gibt«, sagte sie schließlich. »Wir bekommen keinen Orden oder sonst etwas.«
    »Unsere Namen erscheinen nicht auf einer Tafel«, sagte Jep. »Wer es getan hat, ist unwichtig. Hauptsache, es wurde getan.«
    Das war Zilia zu hoch. Soweit sie sah, wurde nämlich überhaupt nichts getan. Zumal es in ihren Augen ohnehin egal war, ob die Kinder sich nun hier betätigten oder nicht. Und daß es wichtig war, erschien ihr ganz und gar unwahrscheinlich. »Was glaubt ihr denn, was ihr hier tut?« fragte sie.
    »Es ist eine nette Geste«, sagte Samstag. »Von uns acht.«
    In der Tat waren sie nur zu acht. Jep, Samstag und sechs weitere Kinder aus der Siedlung; Zilia hätte mit mehr Teilnehmern gerechnet.
    »Wo ist denn euer Freund Willum R.?« wandte Zilia sich an Jep.
    »Er hat sich nicht gut gefühlt«, erwiderte er. »Gotoit und ein paar andere sind bei ihm geblieben.«
    Nachtschicht zehn verstrich, dann elf. Geräusche ertönten in der Dunkelheit, als ob irgend etwas oder irgend jemand graben würde. »Backenhörnchen«, erklärte Jep, nachdem er Zilias fragenden Blick registriert hatte. »Die großen. In der Dämmerung habe ich eins gesehen, das die Länge meines Unterarms hatte.«
    »Ich wußte gar nicht, daß sie so groß werden«, sagte Zilia erstaunt. »Oder bindest du mir nur einen Bären auf?«
    »Ich habe wirklich schon sehr große Backenhörnchen gesehen«, beharrte Jep auf seiner Darstellung. »Und nachts wirken sie sogar noch größer.«
    Die anderen pflichteten ihm bei und gaben allerhand Backenhörnchen-Anekdoten aus den Siedlungen zum besten.
    Gegen Nachtschicht dreizehn schlief Zilia ein. Als sie aufwachte, setzte bereits die Morgendämmerung ein, und gähnend löschten die Kinder das Feuer und die Lichter der Laternen. Nach einer letzten Prozession um das Grab wankten sie zurück zum Komplex der Zentralverwaltung. Obwohl Zilia vier bis fünf Stunden geschlafen hatte, war sie genauso müde wie die anderen. An der Tür ihres Wohnhauses winkte sie den Kindern zum Abschied zu, wusch sich den Staub ab und fiel dann ins Bett.
    Derweil trotteten die Kinder auf dem Weg zurück, den sie gekommen waren und erreichten einen hinter dem Friedhof verlaufenden Graben, wo Willum R., Gotoit und ein weiteres Dutzend schlotternder Kinder sich um eine von einer Decke verhüllte Gestalt versammelt hatten.
    »Ihr wart so weit vom richtigen Grab entfernt, daß wir ihn hochholen konnten«, sagte Willum R. müde, »aber wenn wir ihn zum Standort des Tempels gebracht hätten, wären wir vielleicht von dieser Frau gesehen worden.«
    »Die Nächte sind jetzt ziemlich kurz«, murmelte Samstag. »Die Leute von der Zentralverwaltung werden noch eine Weile schlafen. Das Grab ist schon ausgehoben; wenn wir uns beeilen, schaffen wir es.«
    Eilig beförderten die Kinder den Leichnam von Horgy Endure, der auf einer aus zwei Stangen und einer Decke improvisierten Trage lag, zu einem

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