Monströse Welten 2: Hobbs Land
in Richtung Norden. Sie waren allein unterwegs.
»Wissen die Voorstoder schon, daß sie von Ahabar abgeschnitten sind?« fragte Sam.
»Wir haben Augen und Ohren«, entgegnete die Frau. »Die Männer werden heute nacht nach einem Schlupfloch suchen. Morgen wird dann jeder wissen, ob die Blockade wirklich undurchdringlich ist oder ob die Königin nur mit uns spielt.«
»Und kennen die Voorstoder den Grund für diese Maßnahme?«
»Die Sache hat etwas verbrochen. Aber man sagt uns nicht, worum es sich handelt.«
Mit emotionsloser Stimme schilderte Samstag der Frau den Tathergang.
»Ich habe den Eindruck, daß ziemlich viel Aufhebens um diesen Vorfall gemacht wird«, sagte sie. »Eine einzige Gharm. Hier werden jedes Jahr Hunderte umgebracht. Man peitscht sie zu Tode. Hackt ihnen Hände und Füße ab. Blendet sie.«
Sam wandte sich ab. Er redete sich ein, daß sie das sicher nicht ernst gemeint hatte. Daß ein Terroranschlag ein Todesopfer forderte, war ja noch vorstellbar, aber doch nicht gleich Hunderte.
»Das scheint Sie nicht sonderlich zu berühren«, sagte Samstag deprimiert.
»Wenn ich mich wegen jedes Gharm aufregen wollte, der umgebracht wird, käme ich zu nichts anderem mehr«, erwiderte die Frau. »Dann spare ich meine Energie lieber für solche Fälle, wo ich wirklich etwas tun kann.«
»Ihre Kinder?«
»Wie gesagt, wo ich wirklich etwas tun kann«, sagte die Frau und beendete damit das Thema.
Skelp war eine hügelige Region, und die Straße schlängelte sich über Berg und Tal, bis sie schließlich fast auf Meereshöhe abfiel. Vom Hochland aus sahen sie die Küste und das im roten Schein der untergehenden Sonne liegende Meer.
»Skelp ist aber ziemlich menschenleer«, startete Sam einen Versuchsballon.
»Daß Sie sich da nur nicht täuschen«, entgegnete die Frau. »In den Bergen gibt es saftige Almen und viele Dörfer. In Skelp leben fast nur Hirten. Und Fischer, unten an der Küste.«
»Viele Verstecke«, sagte Samstag. »Für Flüchtlinge.«
»Viele Verstecke«, bestätigte die Frau. »Aber nur für jene, die das Land kennen.«
»Und Sie kennen das Land«, sagte Sam.
»Ja«, erwiderte sie. »Ja, ich kenne das Land.«
Die Dämmerung setzte ein. Allmählich wurde das Land flacher. Hin und wieder kam ihnen ein Fahrzeug entgegen. Mittlerweile war es völlig dunkel geworden, doch es war eine sternenklare Nacht.
»Ich dachte, in Voorstod sei es immer neblig«, sagte Samstag.
»Weiter nördlich stimmt das auch«, erklärte die Frau. »Dort, zur Linken, siehst du die Lichter von Wander Keep.«
Es ging bergab, und schließlich tauchten verstreute Lichter in der Dunkelheit auf.
»Der Squire ist noch immer am Leben«, sagte die Frau. »Obwohl die Sache ihm einen Fuß, eine Hand und ein Auge genommen hat.«
»Was hat die Sache denn gegen den Squire?« fragte Samstag.
»Er hat seine Gharm freigelassen. Er hat einen Propheten als irren Fanatiker und Ausgeburt der Hölle bezeichnet. Er hat der Sache den Status als Religionsgemeinschaft abgesprochen, weil kein Gott eine solche Barbarei gutheißen würde. Damit hatte er die Propheten so gegen sich aufgebracht, daß sie ein Kopfgeld für ihn aussetzten. Das tun sie oft, die Propheten, wenn jemand sich ihnen widersetzt. Schließlich wurde er noch exkommuniziert. Die Priester sind nämlich willfährige Handlanger der Propheten. Doch den Squire ficht das nicht an. In seinem Haus wird jeden Tag ein Gottesdienst abgehalten. Man munkelt, daß Apostaten-Priester in seinem Haus leben.«
»Wo ist die Sache denn am stärksten?« fragte Samstag.
»Am stärksten? In Wolke, würde ich sagen, wo die große Zitadelle steht. Und in Selmouth, im County Leward. Und in Sarby. Die Gebirgsregionen sind zu dünn besiedelt, und in Panchy und Odil leben fast nur Farmer.«
»Die Hauptstadt von Wolke ist Wolkenhafen, nicht wahr?«
»Normalerweise bezeichnen wir sowohl die Region als auch die Stadt mit Wolke. Wollt ihr etwa dorthin gehen?«
Samstag schüttelte den Kopf; dann wurde ihr bewußt, daß diese Geste in der Dunkelheit nicht wahrgenommen wurde und sagte: »Nein. Wir haben überhaupt nichts vor. Wir wollen nur meinen Cousin befreien.«
Die Frau schnaubte nur. Die Lichter rückten näher. Bald sahen sie, daß es sich um die erleuchteten Fenster einer Festung handelte, die hoch auf einem steilen Hügel erbaut worden war. »Wander Keep«, sagte die Frau. »Ich werde euch am Fuß des Hügels absetzen, vor dem Tor.«
»Danke für Ihre Mühe«, sagte Sam.
»Keine
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