Monströse Welten 2: Hobbs Land
wies auf die Karte. Auf der anderen Seite des Raums saßen Samstag und Maire an einem Tisch, die Reste eines späten Mittagessens zwischen sich. Maire war auf dem Stuhl zusammengesunken; sie machte einen niedergeschlagenen Eindruck.
Der Kommandeur griff nach einer anderen Karte und zeigte Sam die nördliche Küstenlinie von Voorstod. »Eiskappe«, sagte er. »Dahinter der Ozean. Und an der Gegenküste die Provinz Caerthop, die auch von uns besetzt ist. Im Osten und Westen stehen Kriegsschiffe. Sie müßten Ahabar schon per Transmitter verlassen, um die Blockade zu durchbrechen.«
»Wären sie dazu in der Lage?«
»Nicht daß wir wüßten. Sie verfügen weder über Transmitter noch System-Gleiter.«
»Haben sie eine Armee?«
»Auch nicht. Sie haben immer nur Terroranschläge verübt, anstatt sich dem offenen Kampf zu stellen. Ihre größte Gruppe sind die Gläubigen, die Brüder der Sache, die von ein paar Fanatikern angeführt werden, die sie als Propheten bezeichnen. Wenn Sie mal einem wirklich Irren begegnen wollen, dann müssen Sie sich an einen Propheten wenden. Außer der Sache existieren noch ungefähr hundert Splittergruppen mit jeweils einem halben Dutzend Mitglieder, die sich alle dem Terrorismus verschrieben haben. Das einzig Positive ist, daß sie bisher nicht zu einer Zusammenarbeit gefunden haben. Kein Voorstoder Mann nimmt von einem anderen Voorstoder Mann Befehle entgegen. Hat mit ihrer Freiheits-Doktrin zu tun.«
»Hmm«, machte Sam, der nie zugehört hatte, wenn Maire ihm die Doktrin erläuterte. »Welche Stärke wird der Gegner vermutlich haben?«
»Fünfzigtausend Gläubige im Alter zwischen zwölf und achtzig. Bei den agitatorischen Qualitäten der Propheten würden sie auch nackt in unser Feuer rennen; wäre nicht das erstemal. Und die anderen Gruppen werden jeweils ein paar hundert Leute abstellen, maximal tausend.«
»Und wie groß ist Ihre Armee?«
Karth schnaubte. »Drei Millionen, einschließlich der Reservisten. Für diese Aktion habe ich eine Million Soldaten abkommandiert.«
»Dann steht es also außer Frage, daß Sie einmarschieren und jeden Widerstand im Keim ersticken könnten.«
»Keine Frage.«
»Aber das würde viele Todesopfer kosten.«
»Bevor wir die Lage unter Kontrolle hätten, würden sie wohl alle Gharm umbringen. Und viele Frauen und Kinder. Diese Männer würden ihre Sklaven und Familien eher töten, als sie von uns befreien zu lassen.«
»Spielt es denn keine Rolle, was die Frauen wollen?« fragte Sam unwillkürlich. Diese Frage hatte er gar nicht stellen wollen.
»Von den Vorschriften des System-Rechts abgesehen, haben die Frauen in Voorstod keine Rechte. Ich habe mich auch schon darüber gewundert, daß sie ihren Frauen überhaupt die Ausreise erlaubten. Ich hätte eher damit gerechnet, daß sie sie zu Hause einsperrten.«
»Das hätte ihnen zu viele Umstände bereitet«, sagte Maire. »Sie sagten, den Ärger seien wir nicht wert.«
»Sind sie noch immer dieser Ansicht?«
»Commander, Sie müssen bedenken, daß die Männer von Voorstod Puritaner sind. Sex ist in Voorstod ein mächtiges Tabu. Die Propheten der Sache erzählen ihnen, Sex sei Macht, und durch den Zölibat würde ihre Stärke zunehmen. Die Priester verkünden, Sex in der Ehe sei zulässig, aber auch nur dort. Sowohl die Priester als auch die Propheten sagen ihnen, sie sollen die Frauen nicht ansehen, wenn sie sie besteigen, ja nicht einmal an sie denken, denn die Frauen würden für das Böse in der Welt stehen. Und nach der Pubertät müssen die Frauen sich in weite Gewänder hüllen, die nur die Augen freilassen. Und daß sie diese Einstellung nun geändert haben sollten, ist höchst unwahrscheinlich.« Sie setzte sich aufrecht hin und massierte sich den Kopf.
»Wir sind eine Ware, und nicht mal eine besonders wertvolle; doch irgendwann wird die Zeit kommen, da nicht mehr genug Jungen geboren werden, um die Sterberate der Gläubigen auszugleichen«, sagte sie. »Sam hat mich darauf gebracht, und je länger ich darüber nachdenke, desto eher glaube ich, daß seine Annahme richtig ist. Deshalb wollten sie auch, daß ich zurückkomme; ich sollte die Frauen mit meinen Liedern davon abhalten, Voorstod zu verlassen. Weil ich aber sichergehen wollte, daß wir Jep auch wirklich freibekommen, habe ich taktiert und ihnen dadurch vermutlich einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich hätte nämlich gleich nach Voorstod kommen und nicht erst das Konzert besuchen sollen. Sie dachten, zu diesem
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