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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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würde sie es dem Priester beichten müssen. Und Lek würde es irgendwie herausfinden. Also tat sie es nicht, tat er es nicht, taten sie es nicht.
    Was bedeutete, daß beide, weil sie normal waren und einen normalen Appetit hatten, mehr als nur leicht gereizt wurden. Wenn es zwischen ihnen kriselte, erinnerte Lek sich jedoch an Marias Worte am Morgen nach der Hochzeitsnacht, als sie ihm gesagt hatte, viermal sei zu viel. Wie ein Andenken wurde diese Erinnerung im Zeitablauf immer stärker, löste sich vom konkreten Inhalt und aus dem Kontext und verwandelte sich in eine Abstraktion, die mit anderen, tiefergehenden Bedeutungen befrachtet war. Während andere Vergnügungen sich als trügerisch erwiesen, war es die Erinnerung, wie er sich in diesem Moment gefühlt hatte, der Stolz und die erfüllte, von realen Erinnerungen ungetrübte Männlichkeit, die ihn befähigte, die Zwillinge vorbehaltlos zu lieben. Maria teilte diese Erinnerung zwar nicht, doch sie hatte andere Mythen, die einem ähnlichen Zweck dienten.
    Maria nähte Kleider für beide Zwillinge, bis Bertran in das Alter kam, wo aus Babies kleine Jungen werden, und dann kaufte sie ihm Jeans, karierte Hemden und Stiefelchen. Nela trug immer Kleider, Trägerkleidchen und Trägerröckchen mit Bluse, weiße Söckchen und schwarze Schühchen. Das Fleisch zwischen ihnen wurde dezent mit einer dunklen Binde kaschiert, die wie ein Ärmel um die Anschlußstellen gewickelt und mit Klebepunkten an der Kleidung der Zwillinge befestigt wurde.
    Lek baute im Garten eine Doppelschaukel, eine Wippe mit einem gegabelten Ende und eine extrabreite Rutschbahn. Als sie das entsprechende Alter erreicht hatten, wollte Maria sie einschulen, doch keine Schule war bereit, die Zwillinge aufzunehmen, außer einer Sonderschule in Peaks Hill. Sie versuchten es eine Woche lang, doch die Zwillinge fühlten sich nicht wohl bei all den Zurückgebliebenen und Autisten. Etwas, wobei Maria nicht wußte, ob sie dankbar dafür sein sollte oder nicht, war, daß die Zwillinge hochintelligent waren. Im Alter von viereinhalb lernten sie lesen und stellten ihr Fragen, die sie manchmal in große Bedrängnis brachten.
    Lek versuchte ein paarmal, mit Bertran Fangen zu spielen, doch das Kind war wegen der Verbindung mit Nela damit überfordert, obwohl der Junge Einlagen in den Schuhen trug, so daß er eine größere Schulterhöhe hatte. Lek versuchte auch, sie zum Angeln (Nela wurde seekrank) und zu einem Fußballspiel (Nela hatte Platzangst) mitzunehmen. Lek machte Maria Vorhaltungen, weil sie Nela immer damit in den Ohren lag, daß sie, Maria, seekrank wurde und daß sie, Maria, Platzangst hatte.
    »Sie ist eben wie ihre Mama«, sagte Maria. »Es wäre auch ein Wunder, wenn sie nicht wie ihre Mama wäre.«
    »Sie sollte genauso sein wie ihr Bruder«, sagte Lek. Er hatte die Probleme im Betrieb mit einem Berater erörtert, den die Führung eingestellt hatte, um die Produktion trotz der persönlichen Probleme der Lohnempfänger aufrechtzuerhalten. Für den Berater, der ansonsten nur mit Drogen, Sex und Alkoholismus konfrontiert wurde, hatte Leks Problem eine Abwechslung dargestellt wie eine Beerenauslese für einen Weinverkoster, der sonst nur billige Tafelweine testet.
    »Der Psychologe sagt«, fuhr Lek fort, »daß sie genetisch… genetisch… identisch sein müssen. Er sagt, das sei ein Naturgesetz. Sie sind aus einem Ei und einem Spermium hervorgegangen, und sie sind völlig identisch!«
    Dieses Verständnis war Lek indes zu spät zuteil geworden. Es traf nämlich nicht mehr zu. Die Biologie war ausgetrickst worden. Die Genetik staunte über die Realität. Geschlechter waren geprägt worden. Nela schaute ihren Vater unter langen Wimpern hervor an und lächelte kokett, wobei die zarten Hände an der Smokarbeit auf ihrem Musselinkleid zupften.
    »Hast du ein Geschenk für mich, Paps?« bettelte Nela mit einem gewinnenden Lächeln.
    Bertran machte ein männlich grimmiges Gesicht und hatte die Hände in die Hosentaschen geschoben.
    »Hallo, Paps«, sagte Bertran. »Was haste für mich?«
    »Wie willst du da noch behaupten, sie seien gleich?« fragte die zornige Maria mit schriller Stimme. »Wie kannst du so etwas sagen, Leksy? Sie sind nicht gleich. Überhaupt nicht.«

 
2
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    Toleranz auf Woanders: die Große Rotunde. Dort, auf dem noch immer so bezeichneten Ankunftsflur stehen

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