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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz
Autoren: Sheri S. Tepper
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farbenprächtig uniformierte Wachen reglos vor den Toren. Man ist der Ansicht, daß das große Tor, dasjenige, durch das vor langer Zeit all die Flüchtlinge kamen, durch Wachen geschützt werden müsse. Es wäre noch immer möglich, daß Personen hindurchgehen, theoretisch zumindest, und die Wachen sollen das verhindern. Das andere Tor, die verdrehte, korrodierte Metallschleife ist ein Arbai- Tor, den anderen Toren nicht unähnlich, welche die geheimnisvollen Arbai überall in der Galaxis verteilt hatten. Obwohl das Tor defekt zu sein scheint, besteht immer noch die Möglichkeit, daß es doch funktioniert, und deshalb wird es von einer Rotte Frick’scher Milizionäre bewacht. Zumal es nach Ansicht des Aufsichtsrats eine gefällige Symmetrie darstellt, wenn der Wachwechsel der Uniformierten an zwei Toren gleichzeitig vollzogen wird.
    Einen ausgezeichneten Ausblick auf diese regelmäßigen Rituale hat man vom Mezzanin, einem gepolsterten Speisebalkon mit hoher Decke, der vom Ankunftsflur über eine kühn geschwungene Wendeltreppe zu erreichen ist. Traditionell sind einige reich verzierte Tische im Mezzanin für die ranghöchsten Mitglieder des Aufsichtsrats reserviert. Andere, noch edlere Tische befinden sich auf einem erhöhten Balkon und sind ausschließlich den Mitgliedern des Inneren Kreises des Kommandeurs der Militärpolizei vorbehalten.
    Der obere Balkon ist privat und abhörsicher. Nicht zuletzt aus diesem Grund wird er auch von Boarmus, dem gegenwärtigen Kommandeur, bevorzugt.
    Heute hat Boarmus eine Unterredung mit Zasper Ertigon, einem ehemaligen Rats-Beauftragten, der beim Aufsichtsrat ein Rücktrittsgesuch eingereicht hat, um in seine Heimatprovinz Enarae zurückzukehren. Boarmus weiß viel über Zasper, wie er überhaupt über die meisten Beauftragten gut informiert ist. Er ist durchaus geneigt, Zaspers Gesuch zu entsprechen, doch bevor er das tut, erwartet er eine Gegenleistung.
    Zasper hat sein Rücktrittsgesuch damit begründet, daß die ständige Reisetätigkeit eine Bürde für ihn sei, was so aber nicht stimmt. Das Reisen hat ihm im Grunde nichts ausgemacht; der eigentliche Grund für den Rücktritt ist diese andere Sache, die ihm aufgefallen ist und die ihm zu schaffen macht, ohne daß er etwas dagegen unternehmen könnte. Und dieses Unbehagen wird immer schlimmer. Das Ausmaß, in dem verkorkste Menschen abartige Dinge anstellen, sogar an Orten, wo verkorkste Menschen und abartige Dinge mehr oder weniger normal sind.
    Mehr Kinderopfer, mehr versklavte Frauen und Kinder, mehr Tötungen von Ehefrauen, mehr rituelle Vergewaltigungen.
    Mehr Schmerz, Flagellantentum und Verstümmelungen von Personen, die an Feierlichkeiten teilnehmen.
    Mehr Folter. Mehr Asoziale, mehr Gewalt, mehr Morde, Verfall von Sitte und Moral.
    Zasper war lang genug im Einsatz, um diese Zunahme zu registrieren, und er will raus. Wenn er sich zu diesem Zweck pro forma mit dem Kommandeur unterhalten muß, dann wird er das eben tun.
    Also treffen sie sich auf dem oberen Balkon, der beleibte Kommandeur und der stämmige Beauftragte. Letzterer trägt nun unauffällige Zivilkleidung, ersterer – so sagt man – erweist einem bewährten, ergrauten Beauftragten diese außerordentliche Ehre, der – so sagt man – eine persönliche Verabschiedung zu schätzen weiß. Daß die beiden keine große Sympathie füreinander empfinden, gilt hingegen als unwichtig, sogar für die Betreffenden selbst.
    »Noch Tee?« fragt Boarmus, obwohl Zaspers Tasse noch voll ist.
    »Nein danke«, sagt Zasper, der normalerweise nur Bier trinkt und Kräutersud im besten Fall als Gesöff für alte Weiber, im schlechtesten als Gift betrachtet.
    »Ich habe Sie hergebeten, um von Ihrer Erfahrung zu profitieren«, sagt Boarmus ungerührt, ohne ihm eine weitere Erfrischung anzubieten. »Von Ihrer Kampferfahrung, sozusagen.«
    »Sir«, sagt Zasper. Dieses Wort ist ein Allzweckbegriff, im Grunde bedeutungslos.
    »Vertraulich.«
    Eine interessante Interpolation, aber das gleiche Wort paßt auch hier. »Sir.«
    Boarmus lehnt sich zurück und betrachtet mit dem Anflug eines Lächelns seinen Gast. Halsstarriger Bastard. Ein guter Beauftragter. Einer der besten, aber ihm kann er nicht das Wasser reichen. So soll es auch sein. »Vertraulich«, wiederholt er dezidiert.
    Zasper blinzelt. »Jawohl, Sir. Natürlich, Sir.«
    Boarmus nimmt ein Päckchen vom Schoß und legt es auf den Tisch. Nur Zasper bemerkt den schnellen Seitenblick in beide Richtungen, um zu sehen, ob jemand
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