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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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nieder und legte Nela erneut die Hand auf die Stirn; dann beugte sie sich über ihr Ohr und flüsterte: »Vielleicht werden wir belauscht. Ich würde nicht zuviel sagen.«
    Nela schluckte und schloß die Augen.
    Fringe machte noch einen Rundgang durch die Kammer. Es war warm – zumindest wohltemperiert, obwohl das Wasser kalt war. Sie konnten oben am Zufluß trinken und sich im Abfluß erleichtern, falls sie so lange in der Höhle eingesperrt waren, daß dies erforderlich wurde. Nahrungsmittel gab es nicht, doch die würden vermutlich bereitgestellt werden. Wie bei allen Beauftragten, ob sie sich nun im Dienst befanden oder nicht, waren auch in ihre Bekleidung gewisse Ausrüstungsgegenstände integriert; manche waren sogar im Körper implantiert. Im Moment waren sie jedoch nicht von großem Nutzen für sie. Dennoch führte sie mental eine Inventur durch, Stück für Stück. Falls die Entführer körperliche Wesen waren, war sie wenigstens in der Lage, sie zu beschädigen. Sie trug noch das Abzeichen mit dem Ortungsgerät. Sehr nützlich beim Aufspüren von verwundeten oder toten Beauftragten unter freiem Himmel. Nutzlos beim Aufspüren von Leuten tief unter der Erde.
    Bertran stöhnte.
    Erneut kniete Fringe sich neben sie. Mit flatternden Lidern öffnete Bertran die Augen. Er lächelte. »Ich habe geträumt«, flüsterte er. »Ich habe geträumt, ich würde schwimmen…« Er schloß die Augen wieder und wimmerte vor Schmerz. Der Traum war wundervoll, schmerzlos und schwerelos gewesen. Er wollte dorthin zurück.
    »Was hast du geträumt?« fragte Fringe.
    »Nichts«, murmelte er. »Nichts.« Und es war wirklich nichts; es verschwand, wie Träume immer verschwinden. »Es ist fort. Wo sind wir?«
    »In einer Höhle«, antwortete Fringe. »In einem verdammten Loch.«
    »Ich bekomme keine Luft«, beklagte Nela sich. »Kannst du dich aufsetzen, Berty?«
    Er versuchte es, und die beiden schoben sich auf den Sims zu. Sie lehnten sich keuchend dagegen, als ob sie ein Rennen hinter sich hätten.
    »Durst«, murmelte er mit trockenem Mund. Er leckte sich die Lippen und schnappte nach Luft.
    »Wir haben keinen Becher«, sagte Fringe und schöpfte mit den Händen Wasser. »Tut mir leid, Bertran, aber mehr kann ich nicht tun.«
    Er trank gierig, und sie mußte noch ein paarmal zur Quelle gehen.
    »Die Lage ist ziemlich hoffnungslos«, sagte er und wischte sich den Mund am Ärmel ab. »Stimmt’s?«
    »Ist noch zu früh, das zu sagen«, murmelte Fringe. »Im Grunde ist der Ort gar nicht so schlimm. Wir haben Licht. Wir haben Wasser. Es ist warm. Und im Moment befinden wir uns nicht in Lebensgefahr.« Bertrans aschfahles Gesicht und die Tränen des Schmerzes in Nelas Augen betrübten sie, und sie machte es sich so bequem wie möglich.
    Bertran versuchte, sich ein Lächeln abzuringen, was ihm aber mißlang. »Zu dumm, daß wir die Schicksals-Maschine verloren haben. Sie hätte uns vielleicht gesagt, was mit uns geschehen wird.«
    »Dazu brauchen wir die Schicksals-Maschine nicht«, sagte Nela mit schwacher, schmerzerfüllter Stimme. »Wir müssen uns hinlegen. Sie haben uns hart angefaßt.«
    »Ich helfe euch.« Fringe half ihnen dabei, sich auf den pelzigen Sims zu legen und deckte sie mit den Mänteln und der Zauberkutte zu, damit sie es warm hatten. Sie sah zu, wie sie die Augen schlossen und der Atem langsamer ging. Ein altes und vertrautes Gefühl ergriff von ihr Besitz, ein Gefühl der Hilflosigkeit, des Kummers und des Mitleids. Das gleiche hatte sie manchmal Souile entgegengebracht. Und Nada. Sie hatte gelernt, diese Gefühle zu verdrängen, denn sie konnte sowieso nichts tun. Doch da war Nela, die einmal ihre Freundin gewesen war. Und das war Nelas Bruder. Beide, beide ihre Freunde, waren ohne eigenes Verschulden in diese Lage geraten. Sie waren keine Beauftragten. Sie hätten nicht das Risiko von Beauftragten eingehen dürfen. Sie sollten irgendwo auf der Bühne stehen und Kunststückchen vorführen. Sie sollten nicht hier sein. Wer auch immer… was auch immer das getan hatte, war eine böse Person, ein böses Ding, und sie, Fringe, würde alles tun, um die Sache wieder in Ordnung zu bringen. Zum Teufel mit der Vielfalt!
    Sie unterzog den Ort einer gründlichen Musterung und suchte jeden Zoll ab. Obwohl sie sich körperlich in einem viel besseren Zustand befand als die Zwillinge, war sie genauso erschöpft wie sie. Es war ein langer Tag gewesen, vielleicht sogar mehr als einer, seit sie zum letzten Mal geschlafen hatte.

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