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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Petitionen.«
    »Ich habe mich an die falschen Adressaten gewandt. Wir hätten uns direkt ans Volk wenden sollen. Ich habe selbst gehört, was Fringe nach der Abreise aus Flachwasser sagte. Sie sagte: ›Man muß den Leuten einen Ausweg lassen.‹ Wir hätten den Leuten einen Ausweg aufzeigen müssen.«
    »Hätte das überhaupt in deinem Ermessen gestanden? Wohin hättest du sie denn geführt?«
    Sie seufzte. Das war natürlich die Frage. Es gab nur zwei Tore auf Woanders. Und beide waren in Toleranz. Beide wurden bewacht. Man hätte sich erst zu ihnen durchkämpfen müssen. »Es gibt eine Heimat«, sagte sie. »Gleich hinter der Mauer hier in Panubi. Es gibt Raum für ein paar. Nur weil es keinen Platz für alle gibt, bedeutet das nicht, daß ich nicht in der Lage gewesen wäre, ein paar zu retten. Oder daß ich jetzt nicht dazu in der Lage wäre. Es ist immer noch Zeit, ein paar zu retten!«
    »Marjorie…«
    »Ob vor Tod oder Zerstörung, alter Freund, ich werde ein paar retten.«
    »Wen?«
    »Flußaufwärts liegt nur noch eine Provinz. Thrasis. Ich werde die Frauen von Thrasis retten.«
    »Auch wenn du dadurch die Gefühle jener flußaufwärts verletzt?«
    »Auch dann. Wieso sollten die Frauen von Thrasis weiter leiden, wenn wir imstande sind, ihnen einen Ausweg zu weisen, und ihnen die Möglichkeit bieten, ihr Leben zu ändern?«
    »Du hoffst noch immer auf Veränderung«, sagte die Stimme in ihrem Bewußtsein amüsiert, aber sanft.
    Veränderung. O ja, sie hoffte noch immer auf Veränderung. Sie hatte immer auf Veränderung gehofft, seit… Wie lange war das schon her? Als sie neun gewesen war? Zehn? Einmal hatten ihre Eltern sie zu einer Ausstellung mitgenommen, auf der Dinge gezeigt wurden, die man in einer alten Grabstätte gefunden hatte. Artefakte von Menschen, die fünf- oder sechstausend Jahre vor ihrer Zeit gelebt hatten. Wie sehr sie sich darauf gefreut hatte. Daß sie so alte Dinge sehen würde, war ihr wie ein Wunder erschienen…
    Und was hatte sie nicht alles gesehen: bemalte Holzstühle mit Schnitzereien, die den Stühlen zu Hause nicht unähnlich waren, einen Wagen, der wie ihr Ponykarren aussah, ein Handspiegel, der demjenigen ähnelte, den ihre Mutter hatte – er war zwar aus Bronze und nicht aus Glas, doch ansonsten war er ihm ziemlich ähnlich.
    Sie hatte auf die Wunderdinge gewartet, doch es hatte nur alltägliche Gebrauchsgegenstände gegeben: Tische, Kisten, Wagen, Krüge, Geschirr, Besteck.
    »Du warst enttäuscht?« Er hatte ihre Gedanken gelesen.
    »Weniger von den Menschen der Vergangenheit als vielmehr von uns. Ich war in dem Kinderglauben gefangen, daß die Menschheit sich weiterentwickelte. Die Vergangenheit war barbarisch und primitiv. Die Gegenwart war zivilisiert und fortgeschritten. Das war mein Glaube, so stark wie meine Religion! Doch nach sechstausend Jahren benutzten wir noch immer die gleichen Möbel!«
    »Dann hatte die Menschheit sich also kaum verändert?«
    »Als ich älter wurde, kam ich zu dem Schluß, daß wir selbst schuld waren, wenn wir die Evolution gestoppt hatten. Wir definierten uns als den vollkommenen Menschen. Wir sahen in den Spiegel und sagten: ›Das ist der Homo sapiens sapiens, wie er leibt und lebt.‹ Die intelligentesten und besten Menschen gehören zur Rasse des Homo sapiens sapiens, aber auch die dümmsten Psychopathen gehören dazu. Jede Mißgeburt und jeder Verbrecher, der uns geboren wird, ist ein Homo sapiens sapiens, weil er aus einer menschlichen Gebärmutter kommt und deshalb heilig ist! Homo sapiens sapiens, Krone der Schöpfung, das einzig lebenswerte Lebewesen! Als Gott die anderen Dinge des Universums erschuf, übte er nur, doch als er uns erschuf, war das sein Meisterstück.«
    Herzhaftes Gelächter.
    Die Zornesröte stieg ihr ins Gesicht. »Das stimmt doch! Genau das bestimmte unser Denken und Handeln. Die Menschen hatten es nicht mehr nötig, sich zu verbessern. Wenigstens entsprach das der westlichen Mentalität. Die Menschen stolzierten umher und brüsteten sich damit, sie seien nach dem Ebenbild Gottes erschaffen! Es war einfacher, sich auf den Himmel zu verlassen, als auf der Erde Verantwortung zu übernehmen, aber weil die Menschen ohnehin Gottes Geschöpfe waren, war das schon in Ordnung so.«
    »Und du glaubst nicht, daß sie menschlich waren?«
    »Zumindest waren sie nicht das, was ich mir unter ›sapiens‹ vorgestellt hatte. In meinen Augen waren nur sehr wenige von uns wirklich weise. Vielleicht überhaupt niemand.

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