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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Gatter und nahm das schläfrige Kind in Empfang. Sie schob es in den Traggurt auf dem Rücken und schlich über die Kiesfläche, wobei sie sich im Schatten der abgestellten Fahrzeuge hielt. Latibor blieb am Tor und schaute nach, ob das Messer und der Schlagstock noch am Gürtel hingen. Diesen Weg würden die Wachen zwar nicht nehmen, aber wenn doch…
    Mit der ihnen eigenen Arroganz hatten die Leute von Toleranz darauf verzichtet, die Fahrzeuge zu bewachen; nicht im Traum hätten sie damit gerechnet, daß jemand sich diesen Umstand zunutze machte. Cafferty hoffte, daß sie so unachtsam gewesen waren, auch die Frachtluke nicht abzuschließen und daß sie geräuschlos zu öffnen war.
    Die Hoffnung erfüllte sich. Die Ladeluke glitt geräuschlos auf. Sie kroch hinein, fand einen schmalen Spalt hinter einem Kistenstapel und bedeutete dem schläfrigen Kind, sich mit seiner Isomatte dort einzurichten, während sie den Proviant hinter ihm aufstapelte. In Erwartung dieses Augenblicks hatten sie das Versteckspiel seit Tagen geübt. Was Danivon betraf, so war auch der Ernstfall nur ein Spiel. Er wußte, wann er sich in die Decke wickeln und schlafen mußte, wieviel er jeden Tag essen durfte (wobei das Essen mit Zusätzen versehen war, um ihn ruhigzustellen), wieviel er trinken durfte und wo er auf den Topf gehen mußte. Er wußte, daß er nicht laut sein durfte und daß er sich für eine Weile bedeckt halten mußte. Darum ging es bei dem Spiel, nicht gefunden zu werden. Wenn er gut spielte, würde er etwas Besonderes gewinnen.
    Danivon kannte Zahlen und Farben, seinen Namen und die Namen vieler Gegenstände, doch er kannte weder Wörter noch Namen, die ihn mit Molock in Verbindung gebracht hätten, ebensowenig den Namen des Orts, an dem seine Eltern gewohnt hatten und die Namen, unter denen sie aufgetreten waren. Sie hatten ihn von den anderen Kindern ferngehalten. Sie hatten ihm gesagt, er würde hinter den sieben Bergen wohnen, denn wenn er den richtigen Ortsnamen wüßte, würde man ihn wieder zurückbringen.
    Cafferty küßte ihn mit tränennassem Gesicht. Sie nahm ihr Medaillon ab, hängte es ihm um den Hals und flüsterte, daß er es immer tragen müsse. Dann schlüpfte sie aus dem Laderaum, schloß die Luke und kroch schluchzend davon. Als sie am Tor ankam, half Latibor ihr hinüber, und sie wankten die Straße entlang zu dem Ort, den sie als Heimat bezeichneten. Von dort aus würden sie zum Fluß gehen und eine deutliche Spur hinterlassen. Wenn man sie verfolgen würde, dann in dieser Richtung. Wenn jemand auf die Idee kam, hier nachzusehen, wäre es schon zu spät.
    Sie befanden sich bereits auf halbem Weg zur Stadt, als sie Stimmen hörten und ein metallisches Geräusch. Das Inspektionsfahrzeug stieg zischend auf und verschwand in der Nacht. Sie blieben nicht stehen, um den Abflug zu beobachten. Sie hatten alles getan, was in ihren Kräften stand.
    Im Innern des Schiffs programmierte Zasper die Steuerung für den Rückflug nach Toleranz. Die Techniker murmelten gähnend und zogen sich in die Schlafkabinen zurück, wobei sie in einem unverständlichen Jargon irgendwas brabbelten. Zasper verstand sie nicht und legte auch keinen Wert darauf. Wo er nun allein war, gähnte er auch und murmelte etwas vor sich hin.
    Die Mächte, die über ihn geboten, hatten beschlossen, den üblichen Fahrplan abzuändern. Molock, das normalerweise in der Mitte der Wartungsschleife lag, hatte diesmal den Endpunkt markiert. Normalerweise schlief er immer auf dem Rückweg und führte die Inventur nach der Ankunft in Toleranz durch. Da er jedoch nach einem Besuch in Molock nie gut schlief, weil er den Eindruck hatte, daß Molock entartet war, beziehungsweise in jüngster Zeit entartet war – Gefühle, die einem Beauftragten nicht zukamen –, wollte er die Inventur jetzt schon vornehmen, um die Ankunftsformalitäten abzukürzen.
    Caffertys Stratagem hatte darauf beruht, daß der Laderaum für eine Weile nicht betreten würde. Zasper, der nicht ahnte, daß seine Entscheidung nicht nur eine Beschäftigungstherapie war, sondern eine Sache von Leben und Tod, nahm den Inventurwürfel, schob ihn in ein Lesegerät und machte sich an die Arbeit. Er stand im Laderaum neben einem Stapel Ersatzteile, als er ein Seufzen hörte. Einen winzigen Seufzer. Ein leises Atmen, das nichts zu bedeuten hatte, nur daß es an diesem Ort niemanden außer ihm hätte geben dürfen, der atmete.
    Er fand das Kind sofort, das hinter dem Stapel aus Kartons schlief.

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