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Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Titel: Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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nachzugrübeln.
    »Das Unverständlichste an der Welt ist, dass sie verständlich ist«, sagte er leise und überließ dem großen Albert Einstein wieder das Wort.
    Am Tag nach ihrem Gespräch mit Iphigénie rief Joséphine Garibaldi an. Er war nicht in seinem Büro, und sie hinterließ eine Nachricht bei dem Kollegen, der den Anruf entgegengenommen hatte. Als sie ihren Namen buchstabierte, Joséphine C - O - R - T - È - S , stockte der Kollege kurz und sagte: »Ach, Sie sind das, Madame Cortès …«
    Mit einem Anflug von Respekt und Zärtlichkeit in der Stimme. Als kenne er sie. Als hätte Garibaldi voller Zuneigung von ihr gesprochen. Und die Stimme wurde zur herzlichen Stimme eines Freundes. Er sagte »Joséphine Cortès«, und ein wenig Licht fiel in Garibaldis kaltes, graues Büro.
    »Er ist unterwegs … Ein großer Einsatz im Drogenmilieu. Wir sind Tag und Nacht vor Ort, wir wechseln uns ab. Aber ich sage ihm, dass Sie angerufen haben, dann er ruft Sie ganz sicher zurück …«
    Joséphine dankte ihm und legte mit Tränen in den Augen auf.
    Dann schalt sie sich für ihre Gefühlsduselei und rief sich zur Ordnung. Fang doch nicht bei jeder Kleinigkeit an zu heulen, du blöde Kuh! Garibaldi tut dir einen Gefallen, weil er dich mag, das ist alles! Was glaubst du denn? Dass er mit bebender Stimme von dir gesprochen hat? Sie seufzte. Diese Fähigkeit, alles zu spüren, alles zu empfinden, war anstrengend. Sich von einem Tonfall berühren zu lassen, von einer ironischen Bemerkung, einer hochgezogenen Augenbraue. Es gelang ihr nicht, Barrieren zwischen sich und den anderen zu errichten. Diesmal versuche ich es, nahm sie sich immer wieder vor, ich gehe gewappnet vor die Tür, in Helm und Rüstung, ich werde mir von niemandem ein Messer in den Körper rammen lassen. Doch es funktionierte nie … Ein Nichts genügte, um sie zu verletzen oder sie glücklich zu machen. Ein Nichts ließ sie verzagen oder erfüllte sie mit Hoffnung und Wärme. Ich bin ein riesiges Blatt Löschpapier, dachte sie, um sich ein Lächeln zu entlocken. Um sich dazu zu bringen, über sich selbst und ihre sentimentale Art zu lachen. Ein riesiges Blatt Löschpapier voller Flecken.
    Sie dachte an ihre Tränen nach der Lektüre des Tagebuchs.
    Sie hatte geweint, als sie die Passage las, in der Cary Grant über seine Mutter sprach.
    Sie dachte an Iphigénies Bemerkung zurück: »Wenn Sie nicht an sich glauben, wie sollen die anderen dann an Sie glauben?«
    Niemals würde sie das kleine, in den tosenden Wellen zurückgelassene Mädchen vergessen. Sie trug die Leiche einer Ertrunkenen in sich.
    Sie hatte sich zu ihrer Mutter umgedreht, hatte es geschafft, sie zu erreichen, hatte gerufen, warte auf mich, warte auf mich, hatte sich an ihr festgeklammert, aber ihre Mutter hatte sie mit dem Ellbogen von sich gestoßen. Sie hatte es nicht gesagt, aber es war, als hörte sie die Worte ganz deutlich: Nicht du! Nicht du! Lass mich!
    Lass mich deine Schwester retten.
    Iris. Die Menschen liebten Iris. Sie konnten gar nichts dafür. Sie war ein kleines Mädchen, das alles Licht für sich beanspruchte. Das alle Blicke auf sich zog. Ohne das Geringste zu tun. Es war einfach so. Kinder wie sie haben alle Rechte, alle Macht. Weil sie die anderen träumen lassen, weil sie sie an einen anderen Ort mitnehmen. Iris zu lieben bedeutete, an ihrem Licht teilzuhaben, einen Strahl davon zu nehmen und eine kleine Kerze für sich selbst daraus zu machen ….
    Iris gegenüber war sie machtlos.
    Und so hatte sie im tosenden Wasser des Ozeans aufgegeben. Sie hatte die Augen geschlossen und sich den Wellen überlassen.
    Und plötzlich hatte sie am Strand gelegen, ans Land geworfen von der Brandung. Auf festen Boden geschleudert, ohne dass sie das Geringste getan hätte. Schwankend, hustend, mit den Zähnen klappernd, war sie aus dem Wasser gekommen. Ganz allein. Ganz allein … Ihr Vater hatte sie fortgetragen und ihre Mutter angeschrien, sie sei eine Kriminelle. Sie hörte die Worte, aber sie verstand sie nicht. Sie hatte ihn beruhigen wollen, ihn trösten, aber sie hatte nicht die Kraft dazu.
    Das Leben war weitergegangen, und sie hatten nie wieder darüber gesprochen. Sie selbst wusste es nicht, fragte sich, hatte Maman nun recht oder doch Papa, und sie sagte sich, dass die Wahrheit auch vom Standpunkt abhing, den man einnahm.
    So etwas passierte sicher vielen Leuten. Sie war keine Ausnahme. Man musste nicht gleich übertreiben. Und wir leben alle einfach weiter, tun weiter so,

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