Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
doch dann gab sie es auf. Sie würde es nie schaffen, ihren Sohn zu verstehen. Damit musste sie sich abfinden. Sie versuchte nicht einmal mehr, seine Eigentümlichkeit vor anderen zu verbergen. Erst neulich hatte sie mit Ginette darüber gesprochen … Und diese hatte ihr gesagt, akzeptiere ihn, wie er ist, akzeptiere dieses Geschenk des Himmels und hör auf, ihn ständig bremsen zu wollen. Er ist anders als die anderen, na und? Stell dir nur mal vor, wie die Welt aussähe, wenn wir alle gleich wären! Wir würden uns umbringen! So viele Eltern jammern, weil sie dumme, faule, ahnungslose Esel zu Hause haben. Du hast einen kleinen Einstein, pflege ihn und sporne ihn an. Versuch nicht, ihn mit dem gleichen Maß zu messen wie andere. Gleichheit ist eine dumme Vorstellung. Wir sind doch alle unterschiedlich …
Sie seufzte und rieb sich die Hände. Nahm den Dialog mit ihrem Sohn wieder auf.
»Du hast recht, Junior … Aber so ein Projekt muss ich erst einmal finden. Ich sitze hier einsam und allein in meiner Küche …«
»Wie hast du das denn früher gemacht?«
»Ich ging auf Fachmessen, Kongresse, Ausstellungen … Ich redete mit Architekten, Dekorateuren, unabhängigen Erfindern, ich sortierte die Ideen … Ich sagte mir, in diesem ganzen Durcheinander gibt es sicher Ansätze, die weiterzuverfolgen sich lohnen würde.«
»Und du hattest recht … Fantasie ist wichtiger als Wissen.«
»Aber wie soll ich mich auf die Suche nach diesen Eingebungen machen, wenn ich hier eingesperrt bin und auf dich aufpassen soll?«
»Ich werde dir helfen, Mutter. Ich begleite dich. Du brauchst nur zu behaupten, das diene meiner Ausbildung, und ich werde dich unterstützen. Wir werden zusammen auf Handelsmessen gehen, und wir werden neue Ideen aufstöbern, die wir Vater auf den Schreibtisch legen können …«
»Das würdest du für mich tun?«
»O ja! Und noch sehr viel mehr, wenn du mich darum bitten würdest! Ich liebe dich so sehr, meine kleine Mama. Du bist mein Fels, meine Wurzel, mein Ginkgoblatt … Ich will dir helfen. Nur dazu bin ich auf der Welt, vergiss das nicht.«
»Aber du hast uns doch schon so glücklich gemacht, Junior. Deine Geburt war ein Segen, ein Quell unendlicher Freude. Du hättest uns beide sehen sollen, wie wir auf Knien vor dem göttlichen Kindlein lagen, der Krönung unserer Liebe. Wir betrachteten dich wie einen Schatz … Du würdest unser Leben verändern. Und du hast es verändert …«
»Und du wirst sehen, es ist noch nicht vorbei. Gemeinsam werden wir Großes vollbringen! Es macht mir Spaß, mich vor Ort umzuschauen, neue Menschen kennenzulernen, die originelle Ideen haben, mit ihnen zu reden und ihre Einfälle in konkrete Produkte zu verwandeln. Allmählich beginnt mich das Studium innerhalb unserer vier Wände zu langweilen.«
»Du darfst dich dabei aber nicht zu sehr anstrengen. Du bist noch klein! Das vergisst du gern. Du machst auch keinen Mittagsschlaf mehr …«
»Unnötig, Mutter, unnötig. Ich schlafe nicht lange, sondern schnell … Schlaf ist Zeitverschwendung, eine Droge für Faulpelze.«
»Ich habe schon lange aufgegeben, herauszufinden, wie du funktionierst, Junior. Ich gestehe, ich bin vollkommen überfordert … aber ich bin sehr glücklich über unser Gespräch! Das ist eine schöne Gelegenheit, die das Leben mir da bietet …«
»Es gibt keine Zufälle, Mutter. Der Zufall ist Gottes Art, anonym zu bleiben. Er hat gesehen, dass du Trübsal bläst, und mich zu dir geschickt …«
»Und gemeinsam werden wir deinem Vater helfen … Er braucht uns so sehr, weißt du. Die Welt dreht sich so schnell heutzutage, und er will es zwar nicht einsehen, aber er wird allmählich alt …«
»Die Welt ist ein gefährlicher Ort. Nicht wegen der Menschen, die Böses tun, sondern wegen der Menschen, die danebenstehen und sie gewähren lassen …«
»Wir werden nicht zulassen, dass ihm jemand Böses tut, nicht wahr, Junior?«
»Versprochen, Maman! Ich mache mich sofort auf die Suche nach neuen Ideen und Projekten für Casamia, und du stellst eine Liste der Messen zusammen, auf denen wir uns umschauen können …«
»Abgemacht!«, rief Josiane. Sie stand auf und umarmte ihren Sohn. »Ach, Junior! Welch ein Glück ist es doch, dich zur Welt gebracht zu haben! Wie konnte ich bloß ein Kind wie dich bekommen? So ungebildet und beschränkt, wie ich bin. Es ist ein Rätsel …«
Junior lächelte und versetzte ihr einen Klaps auf die Schulter, um sie davon abzuhalten, noch länger darüber
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