Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
ihren blassen Lichtkreis, die flachen Blumenschalen, in denen sich Farn und Geranien vermischen, sich sanft wiegen, zitternde Farbtupfer bilden.
Er blickt forschend in die Dunkelheit. Will die beiden Fensterflügel schon wieder schließen, als er eine leise Stimme hört: »Philippe …«
Er beugt sich vor, sucht erneut, diesmal jedoch aufmerksamer, in allen schattigen Winkeln, an allen dunklen Stellen; sein prüfender Blick gleitet über die Baumgruppen und einzelnen Bäume, über den schwarzen Gitterzaun, der den kleinen Park umschließt, in die Lücken zwischen den Autos, die am Bürgersteig entlang parken. Er entdeckt eine Gestalt in der Dunkelheit. Einen weißen Regenmantel, eine Frau. Eine Frau, die er zu erkennen glaubt … Er blinzelt, sagt sich, das ist nicht möglich, sie ist in Paris, sie reagiert nicht auf meine Briefe, auf die Blumen, die ich ihr schicke, und er fragt: »Bist du das, Joséphine?«
Sie schlägt den Kragen ihres weißen Regenmantels hoch, hält ihn mit beiden Händen zusammen. Sie zittert, seit sie seine Stimme gehört hat. Ihre Hände sind kalt, sie ist nervös. Sie schämt sich, weil sie unten auf der Straße steht und wartet. Weil sie beharrlich bleibt, wie eine Frau, die sich ihm aufdrängt. Doch plötzlich weicht die Scham. Eine bebende, überschäumende Freude zwingt sie, die Zähne zusammenzubeißen, aber trotzdem schafft sie es, zu lächeln, und haucht leise: »Ja.«
»Joséphine? Bist du das?«
Er kann es nicht glauben. Er hat zu lange gewartet, um sich vorstellen zu können, dass sie wirklich da sei. Er hat Geduld, Gelassenheit, Leichtigkeit gelernt, er hat gelernt, so vieles loszulassen, er sagt sich, dass es nicht möglich sei, er will das Fenster schon wieder schließen, doch dann beugt er sich noch einmal vor, um in die Dunkelheit hinauszuhorchen.
»Ich bin es«, wiederholt sie, krampfhaft den Mantelkragen umklammernd.
Er sagt sich, dass er nicht träumt. Oder ist er vielleicht verrückt? In diesem Moment liegt es allein bei ihm, ein vernünftiger Mann zu sein, ein Mann, der das Fenster wieder schließt und sich achselzuckend seinem hell erleuchteten Wohnzimmer zuwendet. Ein Mann, der nicht glaubt, dass eine Frau im Dunkeln auf ihn warten und Steinchen ans Fenster werfen könnte, um ihm zu sagen, dass sie den Ärmelkanal überquert hat, um zu ihm zu gelangen.
Er dreht sich um. Er sieht Becca und Alexandre in einer Ecke des Wohnzimmers, sie sehen fern. Dottie ist am Nachmittag gegangen, sie hat ihm einen Zettel auf die Schlafzimmerkommode gelegt. Sie hat eine neue Stelle gefunden, sie zieht wieder zurück in ihre eigene Wohnung. Sie dankt ihm dafür, dass er sie bei sich aufgenommen hat. Sie wäre gern geblieben, aber sie weiß, ihr Platz ist nicht hier. Sie hat es eingesehen. Eine wehmütige Nachricht, aber eine Nachricht, die ihm mitteilt, dass sie geht. Die Worte erfüllen ihn nicht mit Traurigkeit, wenn er sie liest, sondern mit Erleichterung. Und mit Dankbarkeit dafür, dass sie ohne eine tränenreiche Szene gegangen ist.
Er geht eine letzte Wette ein, die Wette eines Verrückten, der an Steinchen werfende Erscheinungen glaubt, und ruft noch einmal hinaus in die finstere Nacht, hinunter auf den Bürgersteig, wo vielleicht überhaupt niemand steht: »Du bist gekommen …«
»Ich bin da …«
»Du? Bist du es wirklich?«
Er beugt sich über das Geländer. Sein ganzer Körper neigt sich vor, sucht sie, hält nach ihr Ausschau, bildet sie sich womöglich ein.
»Ich bin da«, sagt sie wieder. »Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass ich keine Angst mehr habe.«
Sie ist es tatsächlich, es ist ihre Stimme. Jetzt ist er sich sicher.
»Warte kurz, ich komme runter …«
»Ich warte auf dich …«
So war es schon immer, sie hat immer gewartet.
Selbst wenn sie sich dessen nicht bewusst war.
»Wird es so ablaufen, Papa? Du sagst ja gar nichts, dabei weißt du doch, was geschehen wird …«
»Ich bin kein Hellseher, Joséphine, ich kann dir nicht mehr Einzelheiten über das verraten, was dich erwartet …«
»Er wird nicht wollen, dass bei unserem Wiedersehen so viele Leute um uns sind, verstehst du … Er wird herunterkommen, und ich werde auf dem Bürgersteig auf ihn warten. Ich werde meinen hübschen Rock tragen, der so schön schwingt, wenn ich gehe, meinen weißen Strickpullover mit den großen schwarzen Punkten, Ballerinas, damit ich beim Gehen nicht stolpere, und meinen weißen Trenchcoat, den ich bis zum Kinn hochziehen kann, um mich ein bisschen darin zu
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