Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
der Tür des Kleinen Mannes. Iphigénie hatte ihr die Petition in die Hand gedrückt und gesagt, jetzt, Madame Cortès, jetzt sofort. Nicht morgen und nicht übermorgen … Sie hatte Iphigénie angeschaut, hatte immer noch gezögert, ich weiß nicht, ob ich bereit dafür bin, ich weiß nicht. Los! Los!, hatte Iphigénie gedrängt. Das ist doch ein Klacks. Sie zeigen ihnen den Brief des Hausverwalters, Sie zeigen ihnen den Text, den Sie aufgesetzt haben, und Sie fragen, ob sie unterschreiben wollen … Es reicht schon, wenn wir die Unterschriften aus Haus A zusammenbekommen, dann haben wir gewonnen, Madame Cortès. Was glaubt dieser Hausverwalter eigentlich? Meint der etwa, er könnte hier einfach so seine Entscheidungen durchdrücken? Mir nichts, dir nichts sein Betthäschen in meinen hübschen Hasenstall einquartieren? Und ich würde brav kuschen und mir das gefallen lassen? Na los, Madame Cortès, gehen Sie schon!«
»Jetzt, Iphigénie? Jetzt? Ich muss mich doch erst vorbereiten … Was soll ich ihnen denn sagen?«
»Erklären Sie ihnen das Problem, und wenn die Leute mit meiner Arbeit zufrieden sind, werden sie schon unterschreiben. Das ist doch nicht kompliziert … Ich habe mir nichts vorzuwerfen, ich bringe das Haus auf Hochglanz, ich wienere es, ich bohnere es, ich repariere die Treppenläuferstangen, ich wechsle die Glühbirnen aus, ich bringe allen die Post, ich nehme Einschreiben entgegen, ich gieße im Sommer die Pflanzen, ich wische die Regenpfützen weg, ich lasse die Sonne herein, ich stehe jeden Morgen um sechs Uhr auf, um die Mülltonnen rauszustellen, ich spritze sie mit dem Schlauch aus, ich stelle sie wieder zurück in den Müllraum, ich sage Bescheid, wenn irgendwo Wasser ausläuft, ich putze die Keller, und das wissen die auch alles, oder sie haben die Augen voller Scheiße! Tut mir leid, wenn ich ausfallend werde, aber manchmal habe ich einfach keine Lust mehr, meine Zunge im Zaum zu halten …«
»Es ist nur …«
Sie war noch nicht bereit, dem Kleinen Mann zu begegnen. Um die Petition kümmerte sie sich gern. Sie stand uneingeschränkt dahinter. Aber von Angesicht zu Angesicht Monsieur Boisson gegenüberzustehen, dem Protagonisten ihres Romans, davor schreckte sie zurück. Was, wenn er Nein sagte? Wenn er wütend wurde? Wenn er sagte, sie habe kein Recht gehabt, dieses Tagebuch zu lesen, dass er es gerade deshalb weggeworfen habe, um zu verhindern, dass es jemand liest? Mit welchem Recht stecken Sie Ihre Nase in mein Privatleben? Mit welchem Recht? Er würde sie wegschicken, zerstört, beraubt, mit leeren Händen und leerem Herzen. Und davon würde sie sich nicht erholen.
»Sie glauben nicht mehr daran, ist es das? Sie finden, ich sollte gehen, Sie finden es normal, dass ich weggeworfen werde wie eine Bananenschale?«
»Nein, Iphigénie, natürlich nicht …«
»Dann hopp, hopp! Gehen Sie schon! Ich komme auch mit, wenn Sie wollen, ich sage keinen Ton, ich stehe nur neben Ihnen, aufrecht wie Justitia …«
»O nein, bloß das nicht …«
Ich will allein gehen. Ich will seine Wohnung betreten, mich mit ihm hinsetzen, ruhig, ganz ruhig mit ihm reden. Ich will, dass er mir zuhört und mir dann sagt … dass er mir sagt … ja, Madame Cortès, erzählen Sie diese Geschichte, erzählen Sie meine Geschichte, aber verraten Sie nicht, dass ich es bin. Ich will nicht, dass mich jemand erkennt. Erfinden Sie einen anderen Mann, der sein Leben in eine andere Mülltonne geworfen hat …
»Was nun?«, drängte Iphigénie. »Gehen Sie?«
Sie hatte Ja gesagt, ja, ich gehe, dann werden wir ja sehen.
Dann werde ich ja sehen.
Sie hatte ihren Vater gerufen. Hatte ihn gebeten, sie zu begleiten. Kommst du mit mir? Lässt du mich nicht allein? Gib mir doch ein Zeichen, irgendwas, mach, dass eine Glühbirne kurz ausgeht, dass sich der Fernseher von allein einschaltet, dass der Fahrstuhlknopf zu blinken beginnt, dass im Treppenhaus ein Feuer ausbricht …
Aber es hatte kein Zeichen gegeben.
Sie hatte mit Monsieur und Madame Merson angefangen. Monsieur Merson war nicht zu Hause, aber die kurvenreiche Madame Merson hatte mit einer Zigarette im Mundwinkel gesagt, natürlich unterschreibe ich, Iphigénie ist klasse, ich finde es super, dass sie jede Woche die Haarfarbe wechselt, das hebt meine Laune …
Auch Pinarelli junior hatte unterschrieben. Die Concierge? Ist mir so was von egal, aber ihre Arbeit macht sie ordentlich, das muss man zugeben. Könnte ein bisschen mehr auf den Rippen vertragen, aber von
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