Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
als der Laden schloss. Es war mild, die Wolken bildeten kleine Auslassungspunkte am Himmel, die Jogger zogen wie hingebungsvolle Verrückte ihre Kreise, und die Eichhörnchen widmeten sich ihren Geschäften. Plaudernd durchquerten sie den Park. Caillebotte konnte kaum stillhalten, er hüpfte nach links, er hüpfte nach rechts, er geriet immer mehr in Begeisterung, und Gary dämpfte seinen Enthusiasmus, indem er ihm verkündete, dass es im Südwesten Frankreichs einen Käse namens Caillebotte gebe. Caillebotte bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. Wie konnte er seinen Lieblingsmaler nur in einem Atemzug mit einem Schafskäse nennen? Seine Mundwinkel sanken zu einer verkniffenen Grimasse herab. Er wirkte zutiefst empört.
Gary entschuldigte sich, das Wetter war schön, er war zu Scherzen aufgelegt. Die Ausgelassenheit war mit ihm durchgegangen. Was für eine jämmerliche Freundschaft!, erwiderte Caillebotte darauf, reichte ihm seine Eintrittskarte und verkündete, dass sich ihre Wege an dieser Stelle trennen würden. Gary hatte nichts dagegen. Caillebotte begann ihm auf die Nerven zu gehen. Diese fiebrige Verehrung eines einzigen Malers verursachte ihm Klaustrophobie.
Pfeifend betrat er das Museum. Er war allein, er war frei, sein Haar war getrocknet, ohne zu Berge zu stehen, sein Hemdkragen lag flach an, das Leben war schön, was Hortense wohl gerade machte?
Vor einem herrlichen Matisse, dem Rosa Marmortisch , begegnete er einem merkwürdigen Mädchen. Er sah sie erst nur von hinten; sie hatte ihr langes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und er verspürte den unbändigen Drang, sie in den Nacken zu beißen. Sie hatte einen langen, schmalen, biegsamen Hals und eine eigentümliche Art, ihn zu neigen, ihn zu strecken wie ein Insekt. Sie erinnerte ihn an eine behaarte Heuschrecke. Er war fasziniert. Er folgte ihr von Bild zu Bild, ohne den Blick von ihrem Nacken abzuwenden. Sie hieß Ann. Er trat näher heran. Erzählte ihr von Frankreich und vom Musée d’Orsay. Kratzte seine Erinnerungen zusammen, um sie zu beeindrucken. Wusste sie, dass Henri Émile Benoît Matisse am 31. Dezember 1869 in Le Cateau-Cambrésis geboren war? Es ist doch fürchterlich, an einem 31. Dezember geboren zu werden, man berechnet einem ein ganzes Jahr, das man überhaupt nicht gelebt hat. Wie ungerecht!
Sie kicherte. Und er sagte sich, die Sache sei geritzt. Wusste sie auch, dass Matisse als zwanzigjähriger Jurastudent …
»Genau wie ich«, unterbrach sie ihn. »Ich studiere Jura an der Columbia und schreibe eine Abschlussarbeit über die Verfassung der Vereinigten Staaten.«
»Nun … mit zwanzig hatte er eine Blinddarmentzündung, er musste operiert werden und konnte eine Woche lang nicht aufstehen. Um ihm die Zeit zu vertreiben – damals gab es noch keinen Fernseher –, schenkte seine Mutter ihm einen Kasten Buntstifte, und er begann damit herumzukritzeln. Er hat sein Jurastudium geschmissen und ist nach Paris auf die Kunsthochschule gegangen …«
»Ich zeichne sehr schlecht«, sagte sie, »also werde ich bei meinem Studium bleiben …«
Sie studierte Jura und bereitete sich auf ihr bar exam vor. Er lud sie zum Essen ein. Sie lehnte ab, sie musste lernen. Er begleitete sie zurück zum Campus der Columbia University an der 116th Street. Wenn sie den Arm hob, stieg ihm ein pfeffriger Vanilleduft in die Nase, der ihn betörte. Sie sahen sich wieder. Sie trug Converse in allen möglichen Farben und dazu passende Tops. Sie ging früh schlafen, trank keinen Alkohol, war Vegetarierin und liebte Tofu. Sie aß ihn gesalzen, gesüßt, mit Preiselbeermarmelade oder mit Mu-Err-Pilzen. Sie erzählte ihm die Geschichte der Vereinigten Staaten und ihrer Verfassung. Er wartete, bis sie Luft holen musste, um sie zu küssen.
Eines Tages gestand sie ihm, dass sie noch Jungfrau sei und sich nur ihrem Ehemann schenken würde. Sie gehöre der » No sex before marriage «-Bewegung an. Es gibt viele von uns. Keuschheit ist eine schöne Tugend, weißt du.
Er räumte ein, dass das ein Problem werden würde.
Er liebte ihren langen, schmalen Insektenhals und ihre großen, verschwommenen Augen immer noch genauso wie am Anfang. Auch wenn es manchmal geschah, dass er sie als eigenständige Elemente betrachtete … Er hätte sie gern ausgerissen und mit einer Nadel in einem Heft festgesteckt. Sie fand das nicht witzig.
Eines Abends ließ er sie Chopins Nocturne in Es Dur hören, der er immer mit geschlossenen Augen und in absoluter Stille
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