Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
…«
»Niemand verlangt von dir, ihn zu mögen …«
»Ich möchte nicht, dass ihm etwas zustößt …«
Rot, rot, rot.
»Nicht einmal aus Versehen, verstehst du. Ich möchte nicht, dass er zum Beispiel einen Herzinfarkt bekommt, weil er überarbeitet ist … Aber das könnte passieren, wenn er weiterschuftet wie ein Irrer. Und das würde mir wirklich leidtun …«
Rot, rot. Juniors Finger wurden weiß, so fest umklammerte er seinen Stift.
»Also … du hilfst mir, wieder eingestellt zu werden, und im Gegenzug verspreche ich dir, auf ihn aufzupassen, ihn zu entlasten und ihn dir in guter Verfassung zu erhalten. Das ist doch ein fairer Deal, findest du nicht?«
Josiane spielte mit ihrem Teebeutel. Drückte ihn mit der Rückseite des Löffels gegen die Tasse, presste ihn aus, faltete ihn zusammen, faltete ihn wieder auf.
»Ich denke darüber nach …«
»Und du könntest mir noch mehr helfen, wenn du dich auf die Suche nach einem neuen Projekt machen würdest … Du hattest einen guten Riecher für so etwas, weißt du noch?«
»Ich weiß vor allem noch, dass du jedes Mal meine Idee geklaut und als deine eigene ausgegeben hast. Du hast mich abgezockt wie ein armes, ahnungsloses Schaf!«
»Ich brauche dich noch ein letztes Mal … Wenn du mir jetzt hilfst, werde ich es dir hundertfach zurückzahlen!«
Rot, rot, rot. Juniors kleines Buch überzog sich mit immer mehr roten Strichen.
»Aber ich brauche dich nicht, Chaval. Die Dinge haben sich geändert … Ich bin jetzt Marcels Frau.«
»Seid ihr verheiratet?«
»Nein, aber das macht keinen Unterschied …«
»Er könnte ein junges Ding kennenlernen und dich abservieren …«
Josiane lachte sarkastisch auf.
»Nicht mal im Traum!«
»Sei dir deiner Sache nicht zu sicher …«
»Ich bin mir ganz sicher, dass das niemals passieren wird. Ich bin nicht Henriette!«
»Henriette?« Chaval fuhr zusammen. »Wie kommst du denn auf Henriette?«
Rot, rot, rot. Heftig sabbernd malte Junior zornige Striche. Das ganze Buch war damit übersät. Dicke, breite Striemen, die an Lippenstiftspuren erinnerten. Die missbilligend dreinschauende Dame am Nebentisch beobachtete ihn unverhohlen. Dieses Kind ist wirklich eigenartig, flüsterte sie ihrem Freund zu. Hast du gesehen, wie er beim Malen sabbert? Und er malt Striche, nichts als rote Striche!
»Ich sage nur, dass ich nicht Henriette bin.«
»Was hat die denn mit mir zu tun?«, fragte Chaval und kratzte sich nervös an seinem schmalen Schnurrbart.
Rot, rot, rot.
»Die hat sich abservieren lassen … Aber dafür gab es auch einen ausgezeichneten Grund. Sie war böse, eine gehässige, vertrocknete alte Schlange mit fest verschlossenem Keuschheitsgürtel. Eine Hexe auf ihrem Besen … Ich hingegen bin weich, zärtlich, verliebt, sinnlich, großzügig … Ein Sahnetörtchen. Und darum wird er mich niemals abservieren. Elementar, mein lieber Chaval!«
»Schon gut, schon gut«, seufzte Chaval beruhigt. »Aber zurück zu unserem Geschäft. Denk darüber nach. Denk an Marcels Gesundheit, vergiss deinen Groll gegen mich … Wir müssen die Vergangenheit hinter uns lassen. Uns auf die Zukunft konzentrieren …«
Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und strich sich anschließend über die im Hemdausschnitt sichtbare Brust. Josiane beobachtete ihn belustigt. Jetzt war er auf sie angewiesen. Er war ihr ausgeliefert, sein Kopf steckte in der Schlinge. Was für eine wundervolle Revanche an der Vergangenheit! Eine wundervolle Revanche für das arme Mädchen, das sie einst gewesen war …
»Wir müssen uns zusammentun … Um Marcel zu retten«, wiederholte er, und in seinem Blick spiegelte sich quälende Sorge. »Ich habe deinen Mann schätzen gelernt, weißt du …«
Junior malte immer mehr lange rote Striche. Seltsam, dachte Chaval, dieser Kleine ist garantiert zurückgeblieben. Kein Wunder bei den alten Eltern. So ein verkrüppelter Wurm. Ganz anders als meine Fee, meine langgliedrige Göttin mit den goldenen Augen, den geschmeidigen Locken, der lianengleichen Taille, der Vagina, die sich wie ein Fächer zusammenzieht und wieder entfaltet …
Da hob Junior den Kopf, sah Chaval starr in die Augen und sprach ein einziges, schlichtes Wort: »Hortense?«
Und Chavals Gehirn geriet in Wallung. Eine Hitzewelle durchflutete alle Furchen und Windungen. Sein Rückenmark entzündete sich. Chavals Gehirn stand in Flammen, und Junior glaubte schon, der Stift werde in seinen Fingern schmelzen. Er ließ ihn auf den Tisch fallen. Er hatte
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