Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
leben!«
Er lachte ein leises, nervöses Lachen.
»Sie sind reichlich anmaßend.«
»Nein. Ich habe etwas vor. Mit Ihnen, Cary Grant und mir …«
»Ich werde sterben. Der Arzt hat es mir gesagt. Lungenkrebs. Mir bleiben nur noch drei Monate. Bestenfalls sechs … Ich habe meiner Frau nichts davon erzählt. Es ist mir gleichgültig. Vollkommen gleichgültig. Ich habe mein Leben verpfuscht, und ich weiß nicht einmal, ob es meine eigene Schuld war … Ich war nicht gewappnet für diese Begegnung, nicht gewappnet dafür, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Man hatte mir nur beigebracht zu gehorchen.«
»Wie so vielen Kindern Ihrer Generation …«
»Für ihn hätte ich allen Mut aufgebracht, aber für mich selbst hatte ich keinen. Ich wäre sein Diener gewesen, sein Fahrer, sein Sekretär, ich wollte bei ihm sein, die ganze Zeit … Seine Abreise aus Paris bedeutete das Ende. Das Ende meines Lebens. Ich war siebzehn Jahre alt … Idiotisch, nicht wahr? Mir blieben nur meine Erinnerungen und dieses kleine schwarze Heft, in dem ich heimlich las … Meine Frau, ich meine, meine zweite Frau, weiß nichts davon. Im Grunde weiß sie überhaupt nichts von mir. Ich weiß nicht einmal, ob sie sich Sorgen macht, wenn sie mich husten hört. Sie wirkten vorhin besorgter als sie … Vielleicht ist das der Grund, warum ich Ihnen davon erzählt habe. Und außerdem … ist es eine merkwürdige Vorstellung, dass eine Fremde Ihr intimstes Geheimnis kennt. Da läuft es einem schon ein wenig kalt den Rücken runter …«
Joséphine dachte an Garibaldi, an die Nachforschungen, die er über ihn angestellt hatte, und war nicht stolz auf sich.
»Das Leben spielt mir seltsame Streiche … Ich vertraue Unbekannten meine geheimsten Gedanken an, und für meine nächsten Verwandten bleibe ich ein Rätsel. Ist das nicht merkwürdig?«
Er lachte das leise Lachen eines Mannes, der seine Kräfte schont, um nicht zu husten.
»Es ist mir egal, dass ich sterben werde … Ich bin es leid, auf dieser Welt zu sein, bin es leid, allen etwas vorzumachen. Der Tod wird für mich eine Erlösung sein, das Ende einer Lüge. Ich habe mein Leben lang allen etwas vorgemacht. Nur Geneviève wusste, wer ich wirklich bin. Mit ihr habe ich viel verloren. Sie war meine einzige Freundin … Bei ihr brauchte ich mich nicht zu verstellen … Soll ich Ihnen etwas Schreckliches gestehen? Jetzt ist es mir auch egal, jetzt kann ich alles sagen … Geneviève und ich haben niemals miteinander geschlafen. Nicht ein einziges Mal …«
»…«
»Als sie starb, hat sie die Vergangenheit mit sich genommen. In gewisser Weise war ich erleichtert. Ich dachte, dass ich dieses Kapitel nun endlich abschließen könnte … Der Tod des letzten Zeugen! Bis auf Cary Grant, der immer noch am Leben war. Ich las in der Zeitung über ihn, er hatte sich aus dem Filmgeschäft zurückgezogen, er arbeitete für Fabergé, war Webeträger für einen Kosmetikkonzern … Und er hatte noch einmal geheiratet. Zum fünften Mal!«
»Aber Sie haben nie wieder jemanden geliebt?«
»Nie wieder. Ich habe mich auf meine Arbeit konzentriert. Ich habe einen Mann kennengelernt, der meine Karriere sehr unterstützt hat. Er hat mir geraten, wieder zu heiraten. Er behauptete, alleinstehende Männer wirkten nicht vertrauenerweckend. Also habe ich Alice geheiratet, meine jetzige Frau. Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe, zwei Kinder zu zeugen. Um zu sein wie alle anderen, nehme ich an. Das war alles, was mir im Leben noch blieb, so zu sein wie alle anderen … Ich habe zwei Söhne, die genauso blass und blutleer sind wie ich selbst. Die Leute sagen, sie seien mir ähnlich. Bei der Vorstellung gefriert mir das Blut in den Adern … Ich wollte nicht, dass sie irgendwann auf das Tagebuch stoßen. Ihr Vater, verliebt in einen Mann! Was für ein Schock! Meine Frau war mir, ehrlich gestanden, egal! Soll sie denken, was sie will, das ist mir gleichgültig … Sind Sie verheiratet?«
»Ich bin Witwe …«
»Oh! Verzeihen Sie …«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen … Ich bin geschieden und Witwe vom selben Mann. Ich weiß auch nicht, warum ich geheiratet habe … Ich war ein schüchternes, junges Mädchen, das glaubte, es habe nicht einmal das Recht zu atmen. Ich bin Ihnen sehr ähnlich. Deshalb möchte ich ja auch Ihre Geschichte aufschreiben, und ich möchte, dass Sie mir dabei helfen, indem Sie mir erzählen, was Sie nicht in das kleine schwarze Buch geschrieben haben …«
Er sah
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