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Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Titel: Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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über seine Kindheit, über seine Eltern, über das Wohnzimmer seiner Eltern und die Möbel, die er geerbt hatte und die er nicht mochte. Joséphine war überrascht, mit welcher Offenheit er sich ihr anvertraute. Er schien sogar echtes Vergnügen daran zu finden.
    »Na los, fragen Sie mich alles, was Ihnen einfällt … Was wollen Sie wissen?«
    »Was für ein Mensch waren Sie mit siebzehn?«
    »Ein trauriger Kleinbürger. Spießig. In marineblauem Blazer, grauer Hose, Krawatte und Wollpullovern, die meine Mutter für mich strickte … Scheußliche Pullover. Dunkelblau oder grau. Sie können sich nicht vorstellen, wie Frankreich, wie die ganze Welt in jenen Jahren war … Na ja, zumindest in der Vorstellung, die ich mir in meinem engen, abgeschotteten Zuhause davon machte … Ich glaube, es gab Menschen, die eine Menge Spaß hatten, aber von meinem Wohnzimmer aus betrachtet, war alles trist und verkrampft! Ganz anders als heute. Frankreich lebte immer noch wie im neunzehnten Jahrhundert. Wir hatten ein großes Radiogerät im Esszimmer, und beim Essen hörten wir Nachrichten. Ich durfte nicht reden. Ich hörte zu. Ich fragte mich, was das alles mit mir zu tun hatte. Ich hatte das Gefühl, vollkommen belanglos zu sein. Ich hatte weder eigene Gedanken noch eine eigene Meinung. Ich war eine Art dressierter Affe, ich wiederholte, was meine Eltern sagten, und das war nicht sehr lustig … Kurz zuvor waren die Verträge von Évian unterzeichnet worden, und der Algerienkrieg ging zu Ende. Ich wusste nicht, ob das gut war oder nicht … Pompidou war Premierminister, und General de Gaulle wäre in Petit-Clamart beinahe ermordet worden … Ich erinnere mich an den Namen von Bastien-Thiry, dem Organisator des Attentats, einem vehementen Gegner der algerischen Unabhängigkeit. Er wurde am 11. März 1963 durch ein Erschießungskommando hingerichtet. Der General hatte es abgelehnt, ihn zu begnadigen. Meine Eltern waren glühende Gaullisten, sie fanden, dass der General richtig entschieden habe. Bastien-Thiry trug die Verantwortung für das Attentat, er war schuldig. Der Kulturminister hieß André Malraux. Er schickte die Mona Lisa durch die ganze Welt. Mein Vater sagte, das koste die französischen Steuerzahler Millionen … Der Vietnamkrieg hatte noch nicht begonnen, John F. Kennedy war Präsident der Vereinigten Staaten und Jacky eine Ikone. Die Frauen trugen stolz ihren berühmten kleinen Hut und schmale, sehr enge Röcke. In jener Zeit waren die Frauen entweder Mütter oder Sekretärinnen. Sie trugen Miederhöschen, und die Büstenhalter waren so spitz wie Granaten. Lyndon B. Johnson war Vizepräsident. Es war auch die Zeit der Kubakrise. Chruschtschow zog bei der UN -Vollversammlung in New York seinen Schuh aus und hämmerte damit aufs Rednerpult … Wir haben es im Fernsehen gesehen. In Schwarz-Weiß, mit ruckelndem Bild. Wir steckten mitten im Kalten Krieg, und die ganze Welt hielt den Atem an. In der Schule erzählte man uns von einem weltweiten Konflikt, von einem Atomkrieg, man redete uns ein, wir müssten uns auf das Schlimmste gefasst machen. Teenager gab es nicht, Jeans gab es nicht, die Jugendlichen hörten die gleiche Musik wie ihre Eltern: Brassens, Brel, Aznavour, Trenet, Piaf. In den Zeitungen tauchten die ersten Anzeigen für Nylonstrumpfhosen auf, und meine Mutter sagte, das sei abstoßend! Warum? Ich weiß es nicht … Alles Neue war abstoßend! Meine Eltern lasen den Figaro , Paris Match und Jours de France . Als Kind durfte ich Mickymaus lesen, danach nichts mehr … Es war eine Welt, die sich ausschließlich an Erwachsene richtete. Taschengeld existierte kaum, Jugendliche verfügten über keinerlei Kaufkraft. Wir gehorchten. Unseren Lehrern, unseren Eltern … Und doch geriet allmählich alles ins Schwingen. Es herrschte ein wilder Lebenshunger und zugleich der Eindruck, dass sich ohnehin nie etwas ändern würde. Die Menschen rauchten wie die Schlote, man wusste nicht, dass das gesundheitsschädlich war. Ich stopfte Kréma-Bonbons, Boules de Coco und Car en sac in mich hinein. Wenn Freunde meiner Eltern zu Besuch kamen, legten sie Schallplatten auf, 33er hießen die … Es gab auch 45er. Ich hatte mir eine Platte von Ray Charles gekauft, Hit the Road, Jack , nur um meine Eltern auf die Palme zu bringen! Meine Mutter behauptete, Ray Charles sei ein verdienstvoller Neger, weil er blind war! Ich lauschte, hinter der Tür versteckt. Manchmal tanzten sie auch … die Frauen trugen hochtoupierte Frisuren,

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