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Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Titel: Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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wandte den Kopf ab und bedeutete ihm weiterzugehen.
    »Ich will einen Kompass … Ich will wissen, wie das funktioniert.«
    »Du bekommst überhaupt nichts. Du hast dich abscheulich benommen. Du bist ein egoistischer, böser kleiner Junge.«
    »Ich bin weder egoistisch noch böse. Ich bin neugierig, ich will lernen, ich weigere mich, so zu tun, als wäre ich ein normales Kleinkind, und ich will wissen, wie ein Kompass funktioniert …«
    Josiane packte ihn bei der Hand und zerrte ihn auf die Eingangstür ihres Hauses zu. Junior versteifte sich, stemmte seine Sportschuhe in den Asphalt und versuchte, seine Mutter aufzuhalten, die ihn schließlich unter den Arm klemmte, ihn in den Aufzug stieß, ihm zwei Ohrfeigen verpasste, ihn in sein Zimmer steckte und die Tür abschloss.
    Junior brüllte wie am Spieß und hämmerte mit aller Kraft gegen die Tür.
    »Ich hasse Frauen. Sie sind dumme, selbstgefällige, eitle Wesen, die nichts als ihr Vergnügen im Kopf haben und die Männer benutzen! Wenn ich groß bin, werde ich homosexuell …«
    Josiane hielt sich die Ohren zu und flüchtete in die Küche, um dort zu weinen.
    Sie weinte lange, sie weinte bitterlich, sie weinte um ihren verlorenen Traum, eine glückliche Mutter zu sein. Sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass es das Schicksal aller Mütter sei, sich ein perfektes Kind zu wünschen, ein Kind ganz und gar nach ihrem Herzen, und dann schickte der Himmel eines, mit dem man eben auskommen musste. Wenn man Glück hatte, bekam man einen kleinen Émile, und wenn nicht, fand man sich besser damit ab.
    Sie ging zum Kinderzimmer, um ihren Sohn zu befreien, und öffnete die Tür.
    Er lag in seinen zerknitterten Kleidern auf dem Teppich. Er hatte so sehr geschrien, so sehr getobt, so sehr mit den Fäusten gegen die Tür getrommelt, dass er vor Erschöpfung zusammengebrochen war und nun schlief wie ein wackerer Krieger, der drei Tage und drei Nächte mit dem Feind die Klingen gekreuzt hatte. Seine roten Locken waren zerwühlt, und er hatte violette Flecken am Hals, auf den Wangen und auf der Brust. Ein leises Schnarchen drang aus seinem Mund mit dem glühenden Zahnfleisch. Ein niedergestreckter Herkules, der fiebrig und heiß vor Zorn am Boden lag.
    Sie ließ sich neben ihn sinken und beobachtete ihn beim Schlafen. Wenn er schläft, dachte sie, dann ist er ein Baby, dann ist er mein Baby, dann gehört er mir. Sie betrachtete ihn lange, hob ihn auf, nahm ihn zwischen die Beine wie ein Affenweibchen, das sein Junges laust, wiegte ihn sanft und sang dabei leise vor sich hin, Eia popeia, was raschelt im Stroh? Das sind die lieben Gänschen, die hab’n keine Schuh. Der Schuster hat Leder, kein’n Leisten dazu, drum geh’n die lieben Gänschen und hab’n keine Schuh …
    Junior öffnete ein Auge und erklärte, das sei ein blödes Lied.
    »Es liegt nicht am Schuster«, protestierte er, noch halb schlafend. »Gänse tragen nie Schuhe!«
    »Schlaf, mein Baby, schlaf … Maman ist da, ich hab dich lieb und pass auf dich auf …«
    Er seufzte vor Glück und bohrte seinen Kopf und seine Fäuste in den Bauch seiner Mutter, die ihn mit Tränen in den Augen in die Arme schloss und im dunklen Zimmer weiter vor sich hin sang.
    »Maman …«
    Josiane erschauerte, als sie das Kosewort hörte, und verstärkte ihre Umarmung.
    »Maman, weißt du, warum La Bruyère die Charaktere geschrieben hat?«
    »Nein, mein süßer kleiner Schatz, aber du wirst es mir sicher gleich verraten …«
    Er kuschelte sich fester in ihren Schoß und erklärte leise: »Weißt du, er liebte ein junges Mädchen, dessen Vater Drucker war und Michallet hieß. Seine Liebe zu ihr war rein und unschuldig. Sie erfüllte seine Seele mit Schönheit. Eines Tages fragte er sich, mit was für einem Mann man die Kleine wohl verheiraten würde, denn sie hatte kaum eine Mitgift. Also ging er zu ihrem Vater, dem Sieur Michallet, und gab ihm das Manuskript der Charaktere , an dem er schon seit Jahren gearbeitet hatte. Und er sagte: ›Hier, guter Mann, druckt das, und wenn es Gewinn einbringt, dann soll er an Eure Tochter gehen und ihre Mitgift sein.‹ Genau das tat Michallet, und so fand Mademoiselle Michallet eine gute Partie … Ist das nicht wunderschön, Maman?«
    »Ja, mein Schatz, das ist wunderschön. Erzähl mir noch mehr von La Bruyère. Er scheint ein anständiger Kerl gewesen zu sein …«
    »Vor allem muss man ihn lesen, weißt du … Wenn ich endlich richtig lesen kann, lese ich dir daraus vor. Dann brauchen wir nicht

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