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Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Titel: Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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behauptet, das sei unmöglich, und als ich darauf bestand, ist sie schrecklich wütend geworden und hat ihre Schürze an den Nagel gehängt. Seitdem versuche ich, mir selbst das Lesen beizubringen, und ich glaube, ich habe es bald geschafft. Wenn man Laute und Silben zueinander in Verbindung setzt, also mit Binomen arbeitet, ist es gar nicht so schwer …«
    »Mein Gott! Mein Gott!«, jammerte Josiane. »Was sollen wir bloß mit dir machen? Du bist erst zwei Jahre alt, Junior. Ist dir das klar? Nicht vierzehn!«
    »Rechne doch einfach wie bei Hunden. Wenn du mein Alter mit sieben multiplizierst, bin ich vierzehn … Schließlich bin ich doch allemal so viel wert wie ein Hund.«
    Angesichts seiner wie betäubt dasitzenden Mutter setzte er voller Mitgefühl hinzu: »Hab keine Angst, liebste Mutter, ich werde im Leben schon zurechtkommen, da mache ich mir gar keine Sorgen … Was hast du denn Schönes eingekauft? Es riecht nach frischem Gemüse und saftiger Mango.«
    Josiane hörte ihn nicht. Sie brütete vor sich hin. Jahrelang habe ich mir ein Kind gewünscht, Monat um Monat habe ich gewartet, gehofft, Spezialisten aufgesucht, und der Tag, an dem ich erfahren habe, dass ich endlich, endlich … ein Kind erwartete, dieser Tag war der schönste in meinem Leben …
    Sie erinnerte sich daran, wie sie über den Hof von Marcels Firma zu ihrer Freundin Ginette gegangen war, um ihr die freudige Nachricht zu verkünden, welche Angst sie gehabt hatte, mit dem Fuß umzuknicken, auf die Pflastersteine zu fallen und so das Ei in ihrem Bauch zu zerbrechen, wie Marcel und sie andächtig vor dem Göttlichen Kind niedergekniet waren … Sie träumte von diesem Baby, sie träumte davon, ihm blaue Strampelanzüge anzuziehen, seine süßen Händchen zu küssen, zu sehen, wie es seine ersten Schritte machte, seine ersten Buchstaben zeichnete, seine ersten Wörter entzifferte, sie träumte von Muttertagskarten mit ungelenken, holprigen Sätzen, Sätzen, deren Unbeholfenheit einen vor Glück dahinschmelzen lassen, Sätzen, die in klecksigen Buntstiftwörtern »Herzlichen Glückwunsch zum Muttertag, Maman« stammeln …
    Sie träumte.
    Sie träumte davon, mit ihm in den Parc Monceau zu gehen, ihm eine kleine Giraffe auf Rädern ans Handgelenk zu binden und zuzusehen, wie er seine Giraffe über die weißen Kieswege unter dem großen Rotahorn rollen ließ. Sie träumte davon, dass er sich das Gesicht mit Schokoladenkeksen verschmierte, und sie träumte davon, ihm den Mund abzuwischen, dabei liebevoll zu schimpfen, was hast du denn da wieder gemacht, mein lieber, süßer, kleiner Schatz?, und ihn an sich zu drücken, glücklich, so glücklich, ihn schön warm an ihrem Busen zu halten und ihn in ihren Armen zu wiegen und dabei vor sich hin zu schimpfen, denn sie konnte nicht umarmen, ohne zu schimpfen. Sie träumte davon, ihn in die Vorschule zu bringen, ihn schniefend der Lehrerin zu übergeben, ihn durch die Scheibe zu beobachten und ihm verstohlen zuzuwinken, das wird schon, keine Angst, dabei wäre ihr genauso bange zumute wie ihm, der ihr laut weinend nachschauen würde, wenn sie davonging, sie träumte davon, ihm das Ausmalen beizubringen, das Schaukeln, mit ihm die Enten zu füttern, alberne Kinderreime zu singen, ene mene Mäusespeck, gleich ist Juniors Näschen weg, und sie würden beide lachen, weil er das Wort »Mäusespeck« nicht aussprechen konnte.
    Sie träumte …
    Sie träumte davon, die Dinge nacheinander anzugehen, langsam, bedächtig, mit ihm gemeinsam aufzuwachsen, ihn an der Hand zu halten, ihn auf dem langen Weg des Lebens zu begleiten …
    Sie träumte davon, ein Kind zu haben, das so war wie alle anderen Kinder auch.
    Und da stand sie nun mit einem Wunderknaben, der mit zwei Jahren lesen lernen wollte, indem er La Bruyères Charaktere entzifferte. Und was waren überhaupt Binome?
    Sie hob den Blick und betrachtete ihren Sohn. Er hatte sein Buch zugeklappt und schaute sie wohlwollend an. Ach, Junior, seufzte sie und strich über den Porreestrunk, der aus ihrem Einkaufstrolley lugte.
    »Lass uns eine traurige, für dich schmerzhafte Tatsache unumwunden aussprechen, liebste Mutter, ich bin kein gewöhnliches Kind, und was noch hinzukommt, ich weigere mich, mich wie diese Kretins aufzuführen, mit denen du mich im Park Umgang zu pflegen zwingst … Armselige Wichte, die auf ihren Hosenboden fallen und losbrüllen, wenn man ihnen ihren Schnuller wegnimmt.«
    »Willst du dir nicht ein bisschen Mühe geben und versuchen, dich

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