Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
mehr in den Park zu gehen, dann bleiben wir beide hier, und ich fülle deinen Kopf mit lauter schönen Dingen … Ich will nämlich auch Griechisch und Latein lernen, um Sophokles und Cicero im Original lesen zu können.«
Er runzelte die Stirn, schien zu überlegen und fügte dann hinzu: »Maman, warum warst du vorhin so zornig? Hast du nicht gesehen, dass dieser Émile dumm und unbeholfen war?«
Josiane nahm eine rote Locke in die Hand und wand sie abwechselnd um ihre Finger wie einen langen Faden, den man durch die Kettfäden eines Webstuhls führt.
»Ich wünsche mir so sehr, dass du wie die anderen wärst, wie alle Kinder in deinem Alter … Ich will kein Genie, ich will ein kleines Baby von zwei Jahren.«
Junior schwieg einen Moment, dann antwortete er: »Das verstehe ich nicht. Ich erspare dir so viele Sorgen, indem ich mich selbst erziehe … Ich dachte, du wärst stolz auf mich. Es tut mir weh, dass du mich nicht so akzeptierst, wie ich bin … Du siehst in mir nur mein Anderssein, aber erkennst du nicht auch, wie sehr ich dich liebe und welche Mühe ich mir gebe, dir zu gefallen? Du kannst mir doch nicht übel nehmen, dass ich anders bin …«
Josiane brach in Tränen aus und überhäufte ihn mit nassen Küssen.
»Es tut mir leid, mein Schatz, so leid … Lass uns versuchen, solche Momente wie diesen hier zu finden, Momente, in denen mir das Herz übergeht, in denen ich das Gefühl habe, dass du mir gehörst, und ich verspreche dir, dass ich dich nie wieder zwingen werde, Zeit mit einem dummen Émile zu verbringen.«
»Versprochen?«, fragte er gähnend.
»Versprochen«, flüsterte sie, und er sank zurück in tiefen Schlaf.
Als Marcel Grobz sich an diesem Abend ins eheliche Bett legte und seine dicken, rot behaarten Finger nach dem weichen Körper seiner Frau tasteten, schob Josiane ihn zurück und sagte: »Wir müssen reden …«
»Worüber?«, fragte er und verzog missmutig das Gesicht.
Er hatte den ganzen Tag auf diesen magischen Moment gewartet, wenn er sich auf Josianes Körper legen und langsam und kraftvoll in sie eindringen und ihr dabei all jene Koseworte ins Ohr flüstern würde, die er zwischen unterschriftsreifen Dokumenten, einer defekten Löschwassersteigleitung, einem chinesischen Lieferanten und einem Küchenhersteller, der sich weigerte, seine Gewinnspanne zu senken, angesammelt hatte.
»Über deinen Sohn. Ich habe ihn heute dabei erwischt, wie er die Charaktere von La Bruyère gelesen hat.«
»Was für ein Teufelskerl, mein Filius! Du glaubst gar nicht, wie ich ihn liebe! Wie stolz ich auf ihn bin! Mein Sohn, mein Fleisch und Blut, mein Pontifex Maximus!«
»Und das ist noch nicht alles! Nachdem er mir La Bruyères Geschichte erzählt hatte, hat er gesagt, dass er auch Griechisch und Latein lernen wolle, um die Klassiker im Original lesen zu können …«
Marcel Grobz kratzte sich frohlockend den Bauch.
»Kein Wunder! Er ist mein Sohn. Wenn man mich nur ein bisschen gefördert hätte, würde ich mich heute auch mit Latein, Griechisch, Literatur und Hypotenusen auskennen.«
»So ein Quatsch! Du warst ein normales Kind, ich war ein normales Kind, und wir haben ein Monster gezeugt!«
»Ach was, nicht doch … Wir beide, Choupette, wir sind mit Ohrfeigen großgezogen worden, wir waren weniger wert als das übrig gebliebene Essen, und heute stehen wir da mit einem kleinen Genie … Ist das Leben nicht wundervoll?«
»Bis auf die Tatsache, dass Gladys, du weißt schon, unser neues Hausmädchen …«
Marcel dachte nach. In den letzten Monaten hatten sie einen wahren Reigen von Hausangestellten gehabt. Keine war geblieben. Dabei bezahlten sie gut, und die Arbeitsbedingungen waren angenehm. Josiane war eine respektvolle Arbeitgeberin, die nicht davor zurückschreckte, selbst die Hände ins Putzwasser zu stecken, und die jedem eine Ohrfeige verpasste, der es wagte, von seiner »Putze« zu sprechen. Dafür war sie selbst lange genug eine einfache Bedienstete gewesen.
»Sie hat ihre Sachen gepackt! Und weißt du, warum?«
Marcel krümmte sich in unterdrücktem Lachen.
»Nein«, brachte er, kurz vor dem Platzen, heraus.
»Wegen Junior. Er wollte, dass sie ihm vorliest, und sie wollte putzen!«
»Man sollte doch meinen, es sei weniger anstrengend, aus Büchern vorzulesen, als die Toilette zu schrubben …«
»Du sprichst schon genau wie er! Als ich dich kennengelernt habe, hast du noch ›Klo‹ gesagt wie jeder normale Mensch …«
»Ja, schon, Choupette … Aber ich lese ihm
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