Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
nachplapperten. Wenn ich kaum liebe, gehe ich kein Risiko ein und werde im Gegenzug selbst geliebt. So sind die Männer: Je mehr man sie liebt, desto weniger verzehren sie sich nach einem. Das ist ein altes Naturgesetz. Da ich niemanden liebe, habe ich unzählige Verehrer, und ich wähle denjenigen aus, der mir in einer bestimmten Situation am besten in den Kram passt.
Garys Kuss in der dunklen Londoner Nacht mit Blick auf die sanft erschauernden Parkbäume hatte sie aufgewühlt. Sie hatte den Halt verloren. Um ein Haar wäre ich eine verliebte Amöbe geworden. Ich bin keine Amöbe. Ich rauche nicht, ich trinke nicht, ich nehme keine Drogen, ich schmeiße mich nicht an Männer ran. Anfangs war es nur eine Attitüde, ich wollte nicht so sein wie die anderen, aber mittlerweile ist es eine bewusste Entscheidung, die mir viel Zeit erspart. Wenn ich mein Ziel erreicht habe – mein eigenes Label, meine eigene Kollektion –, dann kümmere ich mich um die anderen. Im Moment muss ich meine ganze Energie darauf konzentrieren, Erfolg zu haben. Meine eigene Firma gründen, notfalls über Leichen gehen, Coco Chanel werden, meine Vision von Mode durchsetzen, auch wenn ich, räumte sie in einem plötzlichen lichten Moment ein, noch viel zu lernen habe. Aber ich weiß, was ich will: extreme Eleganz, klassische Erhabenheit, aus dem Gleichgewicht gebracht durch ein, zwei nachlässige Details. Den Purismus vom Sockel stoßen. Ihn brechen. Ihm sakralen Charakter verleihen, indem ich meinen Namen daruntersetze. Ich muss Strichführung, Entwurf, Details lernen und dann alles durcheinanderwirbeln, indem ich das brave Bild zerstöre. Der Makellosigkeit einen Dolchstoß versetze.
Sie erschauerte und stieß einen Seufzer aus. Sie konnte es kaum erwarten, sich an die Arbeit zu machen. Überhaupt, dachte sie, ist das das Einzige, was mich begeistert … Verglichen mit meinen Plänen, erscheint mir menschliches Fleisch so unglaublich fade.
An der Station Angel stieg sie aus, wäre fast auf einer McDonald’s-Verpackung ausgerutscht und fluchte. Sie kam an einem Laden der Sandwichkette Pret A Manger vorbei und zuckte mit den Schultern. Was für ein plumper Name! Spann die Geschichte ihres sozialen Aufstiegs weiter, während sie die letzten Meter zurücklegte, die sie noch vom Haus trennten. Sie war gerade bei dem wundervollen Moment angekommen, in dem sie, in Jacke und Sarouel-Hose aus rauchblauem Wollkrepp und mit Sandalen von Givenchy an den Füßen, die Journalisten aus aller Welt empfing, um über ihre Kollektion zu sprechen, als sie den Schlüssel ins Schloss steckte, hineinging und von Toms scharfer Stimme empfangen wurde.
»Hortense! Du bist ekelhaft!«
Hortense hob den Blick und musterte ihn kühl. Tom war ein blonder Engländer mit spärlichem Bartwuchs, groß gewachsen und antriebslos, der sie normalerweise anschmachtete wie ein Basset einen außer Reichweite aufgestellten Futternapf.
»Was ist los, Tommy? Ich habe gerade zehn Stunden Unterricht hinter mir und keinen Nerv für dein Gejammer …«
Sie hängte ihren Mantel im Flur auf, löste den dicken weißen Schal, den sie sich mehrmals um den Hals geschlungen hatte, stellte ihre mit Ordnern und Büchern gefüllte Tasche ab und schüttelte vor den Augen dieses Jungen, der in ihren Augen nicht mehr als ein harmloser Trottel war, ihr schweres, kastanienbraunes Haar.
»Du hast deinen Tampon im Bad liegen lassen!«
»Oh! Tut mir leid. Ich muss in Gedanken gewesen sein, und …«
»Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?«
»Tommy-Schätzchen, dann wusstest du also noch nicht, dass Frauen jeden Monat Blutungen haben, die man Periode nennt?«
»Du hast deine Tampons nicht im Bad rumliegen zu lassen!«
»Tut mir leid, es wird nicht wieder vorkommen … Wie oft soll ich das noch sagen, bis du zufrieden bist?«
Sie bedachte ihn mit einem zuckersüßen falschen Lächeln.
»Du bist eine miese Egoistin! Du hast nicht einen Gedanken daran verschwendet, dass in diesem Haus auch Männer wohnen!«
»Ich habe mich zweimal entschuldigt, das reicht doch wohl! Ich werde jetzt nicht Buße tun und mir Asche aufs Haupt streuen! Ich hätte das nicht tun sollen, das stimmt, was willst du denn noch? Dass ich dir zur Wiedergutmachung die Zunge in den Hals stecke? Das kannst du vergessen. Ich dachte, was das angeht, hätte ich mich deutlich ausgedrückt: Mit dir werde ich im Leben nicht intim. Wie war dein Tag? Jetzt, wo’s an der Börse auf und ab geht, muss es im Büro doch ziemlich hart
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