Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
riecht nach Betrug, nach Umkrempeln der Seele, nach Verlust aller Energie und endlosem Gebibber.
Sie aß ihren Quark und ihren Schinken, trank ihren Kaffee. Hob den Kopf. Sah Peter an, der auf eine Antwort wartete, und sagte leise: »Meinetwegen, dann werde ich ab jetzt eben nett sein, aber ich will nicht, dass jemand etwas davon merkt … Okay?«
Und dann kam der Tag, an dem Joséphine ihre Habilitationsschrift präsentierte.
Der Tag, an dem sie nach jahrelangen Forschungen, nach Vorträgen, Seminaren und endlosen Sitzungen in der Bibliothek, nach dem Verfassen von akademischen Arbeiten, von Aufsätzen und von Büchern vor eine Kommission treten und ihre Arbeit verteidigen würde.
Ihr Habilitationsbetreuer hatte entschieden, dass sie bereit sei. Der Termin war festgelegt worden. Am 7. Dezember sollte es so weit sein. Sämtliche Mitglieder der Kommission hatten schon im September ein Exemplar von Joséphines Dossier erhalten, damit sie genug Zeit hatten, es zu lesen, zu prüfen und zu kommentieren.
Sie würde dreißig Minuten haben, um sich vorzustellen, ihren Werdegang und ihre Forschungen darzustellen, jede einzelne Etappe, jeden Autor, den sie studiert hatte, und dann noch einmal dreißig Minuten, um auf die Fragen der Kommissionsmitglieder zu antworten.
Die Prüfung würde von vierzehn Uhr bis achtzehn Uhr dauern, gefolgt vom Urteil der Kommission und einem kleinen Umtrunk, den die Kandidatin den Anwesenden offerierte.
So entsprach es dem Protokoll.
Joséphine hatte trainiert wie für einen Sportwettkampf. Hatte eine dreihundert Seiten lange Einleitung geschrieben. Hatte jedem Prüfer ein Exemplar ihres Dossiers geschickt. Und hatte eines bei der Fakultät eingereicht.
Die Verteidigung war öffentlich. Es würden etwa sechzig Zuhörer im Saal sein. Hauptsächlich Kollegen. Sie hatte niemanden eingeladen. Sie wollte allein sein. Allein im Angesicht der Habilitationskommission.
Die ganze Nacht hindurch hatte sie sich schlaflos im Bett gewälzt. Dreimal war sie aufgestanden, um sich zu vergewissern, dass das Dossier auch auf dem Couchtisch im Wohnzimmer lag. Sie hatte sich vergewissert, dass auch nicht ein Blatt weggeflogen war. Wieder und wieder hatte sie die einzelnen Bestandteile gezählt. Das Inhaltsverzeichnis durchgelesen. Die Kapitel durchgeblättert.
Alle Forschungslinien entwickelten sich harmonisch. »Quantität und Qualität«, hatte ihr Betreuer empfohlen.
Sie hatte die Hände flach auf das gewaltige Paket gelegt. Siebentausend Seiten. Siebeneinhalb Kilo. »Der Status der französischen Frau im zwölften Jahrhundert auf dem Land und in den Städten«. Fünfzehn Jahre Arbeit, Forschungen, Veröffentlichungen in Frankreich, England, Deutschland, Italien und in den Vereinigten Staaten. Vorträge und veröffentlichte Artikel. Sie nahm aufs Geratewohl einen davon in die Hand und blätterte darin. »… die Arbeit der Frauen in den Webstuben … Frauen arbeiteten genauso viel wie Männer … Hautelisse-Weberei« oder »die ökonomische Wende der Jahre 1070-1130 in Frankreich … die ersten Zeichen des städtischen Aufschwungs … das Vordringen des Geldes in ländliche Regionen … die zunehmende Zahl von Märkten in Europa … die ersten Kathedralen …« oder der letzte Aufsatz, ihre Schlussfolgerung, in der sie eine Parallele zwischen dem zwölften und dem einundzwanzigsten Jahrhundert zog … Das Geld, das allmächtig wird, den Tauschhandel verdrängt und nach und nach die Beziehungen zwischen den Menschen, zwischen den Geschlechtern verändert, die Dörfer, die sich leeren, während die Städte wachsen, Frankreich, das sich fremden Einflüssen öffnet, der Handel, der sich entwickelt, die Frau, die ihren Platz einnimmt, die Troubadoure inspiriert, Liebesromane schreibt, zum Zentrum der Aufmerksamkeit des Mannes wird, während dieser eine zunehmend kultiviertere Lebensart annimmt … Der Einfluss der Wirtschaft auf den Status der Frau. Verfeinert die Wirtschaft die Sitten oder macht sie die Menschen brutaler?
Das war das von ihr verfasste Kapitel eines schmalen, bei Picard erschienenen Buchs, das von mehreren Autoren gemeinsam geschrieben worden war und sich zweitausendmal verkauft hatte. Ein Erfolg für ein Fachbuch.
Es dort zu wissen, dieses bescheidene, kluge Bändchen, hatte sie beruhigt. Mit einem Blick auf die Leuchtanzeige ihres Weckers war sie endlich eingeschlafen: Es war acht Minuten nach vier.
Sie hatte Frühstück gemacht.
Hatte Zoé geweckt.
»Denk heute Nachmittag zwischen
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