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Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Titel: Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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besser sie sind, desto höher ist ihr Gehalt, und die Lehrer liefern sich einen erbitterten Wettstreit, da sie nach Leistung bezahlt werden. Die brillantesten unter ihnen, wie etwa Abélard, scharen unzählige Schüler um sich und sind bei ihren neidischen Kollegen verhasst. Aus dem zwölften Jahrhundert stammt das Sprichwort: ›Gott schuf die Professoren und der Teufel die Kollegen.‹«
    Sie war bereit, sich den Professoren und den Kollegen zu stellen.
    Sie wählte einen Glockenrock, der ihre Waden bedeckte, klemmte ihr Haare unter einen schwarzen Haarreif, nur ja nicht attraktiv wirken, lieber so nüchtern wie ein Grammatiklehrbuch. »Gott schuf die Professoren und der Teufel die Kollegen …« Sie hatte Die demütige Königin nicht in ihr Dossier aufgenommen. Sie wusste, dass es bei ihren Kollegen nicht sonderlich gut angekommen war, dass sie aus der Reihe getanzt war und damit auch noch einen derart großen Erfolg erzielt hatte. Sie tuschelten hinter ihrem Rücken, sie spotteten, sie bezeichneten ihr Buch als »Groschenroman« … Manche nannten es niveaulose Populärwissenschaft. Daher hatte sie darauf verzichtet, ihr Buch zu erwähnen. Sich der Farbe der Wände anpassen. Unauffällig bleiben. Vor allem nicht glänzen …
    Ein blauer Ordner schaute aus dem Paket heraus. Joséphine klopfte gegen seinen Rücken, um ihn wieder zurückzuschieben. Als er sich nicht bewegte, zog sie ihn vorsichtig heraus. Es war ihr Kapitel über die Farben und ihre Bedeutung im Mittelalter. Die Farben und ihre Darstellung in den Häusern, bei Hochzeiten, Beerdigungen, in den von der Hausherrin zusammengestellten Menüs. Ich schlage ihn aufs Geratewohl auf und lese eine Minute, dachte sie bei sich. Nein, nein, nicht nötig, ich kenne es auswendig. Sie öffnete es und stieß auf den Regenbogen. Iris , wie er im Mittelalter genannt wurde. Nach dem lateinischen iris , iridis , dies wiederum übernommen aus dem Griechischen: Iris , Iridos , die Botin der Götter und Verkörperung des Regenbogens.
    Verstört klappte sie den Ordner wieder zu.
    Vielleicht war Iris als Kind zerbrochen worden …
    Der Gedanke kehrte zurück, regte sich hier, regte sich dort, führte sie an den Ursprung jenes Schmerzes, den sie allein erlitten zu haben glaubte, jener Schmerz, von dem sie dachte, er habe Iris verschont.
    Vielleicht hatte Iris ebenfalls darunter gelitten.
    Vielleicht hatte sie am Ende geglaubt, sie sei ein Objekt, mit dem jeder machen könne, was er wolle, vielleicht hatte ein unbändiges Glück darüber in ihr gelodert, sich diesem Mann zum Geschenk zu machen, der … sie misshandelte. Sie fesselte. Ihr Befehle erteilte.
    Ihr Tagebuch berichtete von diesem eigenartigen Glück, dieser Lust. Schilderte die Tage und Nächte, in denen sie zu diesem zerbrochenen Spielzeug geworden war … zu dieser Puppe … mit verrenkten Gliedern …
    Iris also auch? Iris genau wie ich …
    Beide zerbrochen.
    Sie verscheuchte diesen Gedanken aus ihrem Kopf.
    Nein! Nein! Iris war nicht zerbrochen. Iris war selbstsicher. Iris war hinreißend, stark, schön. Sie, Joséphine, war die Kleine, die Unsichere, deren Ohren bei jedem Nichts und wieder Nichts rot anliefen, die immer Angst hatte, zu stören, immer Angst hatte, hässlich zu sein, den Ansprüchen nicht zu genügen …
    Nicht Iris.
    Sie schloss die Tür hinter sich.
    Sie nahm einen Métro-Fahrschein aus dem kleinen orangefarbenen Plüschportemonnaie, das Zoé ihr zum Muttertag geschenkt hatte.
    Sie stieg in die Métro.
    Ihr sieben Kilo schweres Dossier unter dem Arm.
    Doch die leise Stimme wollte nicht verstummen. Und wenn sie beide als Kinder zerbrochen worden waren? Von derselben Mutter. Henriette Grobz, verwitwete Plissonnier.
    An der Station Étoile stieg sie um. Nahm die Linie sechs in Richtung Nation.
    Schaute auf ihre Uhr und …
    Sie war pünktlich.
    Der Vorsitzende der Prüfungskommission war ihr Habilitationsbetreuer. Die anderen Mitglieder der Kommission … sie kannte sie alle. Bereits habilitierte Kollegen, die sie taxierten wie einen dünnen Zweig. Und dann auch noch eine Frau! Sie lächelten verschwörerisch. Diese Männer, die, wenn sie sich vorstellten, immer ihre Verdienste herausstreichen mussten wie eine Visitenkarte, die sie sich ans Revers geheftet hätten. Bei meiner Antrittsvorlesung am Collège de France … als ich neulich aus dem Ministerium kam … bei meiner Rückkehr aus der Villa Medici … als ich in der Rue d’Ulm war … bei meinen Seminaren in der Casa Velázquez … Sie

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